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Vorsatz und Begierde

Vorsatz und Begierde

Titel: Vorsatz und Begierde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P. D. James
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Bücher gelesen, weswegen er auch keine Ahnung hatte, welcher kulinarischen Richtung sie angehörte. Allerdings hatte er nicht befürchtet, man würde ihm eine der derzeit modischen, künstlerisch komponierten Kreationen servieren, mit etwas Soße drum herum und ein paar halbgar gedünsteten Karotten und Zuckererbsen, elegant garniert auf einem Beilagenteller. Die Wildenten, die Alex Mair zerlegt hatte, waren von akzeptabler Größe gewesen. Die pikante Soße, eine ihm neue Variante, hatte den Geschmack des Wildgeflügels eher verstärkt denn übertönt. Und die pürierten weißen Rübchen und Pastinaken hatten angenehm mit den grünen Zuckererbsen harmoniert. Hinterher hatte es ein Orangensorbet gegeben, dem Käse und Obst folgten. Es war ein konventionelles Dinner gewesen, das, wie er meinte, den Gästen zusagen und nicht die schöpferische Phantasie der Köchin demonstrieren sollte.
    Obgleich der erwartete vierte Gast, Miles Lessingham, unerklärlicherweise nicht erschienen war, hatte Alice Mair die Tischordnung belassen. Der freie Stuhl und das leere Weinglas weckten in ihm die Vorstellung, es sollte noch Banquos Geist erscheinen. Dalglieshs Gegenüber war Hilary Robarts. Das Porträt mußte auf ihn einen derartigen Eindruck gemacht haben, daß es sein Verhalten selbst dann noch prägte, als er die Dargestellte leibhaftig vor sich hatte. Es war ihre erste Begegnung, obwohl er sie vom Hörensagen kannte wie all die anderen Leute, die, wie die Einwohner von Lydsett es ausdrückten, »jenseits des Gatters« lebten. Ein wenig merkwürdig war es schon, daß sie sich erst jetzt kennenlernten. Er hatte ihren roten Golf auf der Landzunge häufig gesehen, auch ihr Cottage hatte er öfters von der Mühlendachkammer aus betrachtet. Als er sie nun zum erstenmal ganz nahe vor sich hatte, konnte er kaum den Blick von ihr abwenden. Sie und ihr Abbild verschmolzen zu einem Wesen, von dem ein sonderbarer Reiz ausging, der ihn verwirrte. Sie hatte ein apartes Gesicht, das Gesicht eines Photomodells mit hohen Wangenknochen, einer langen, leicht konkaven Nase, einem großzügig geschnittenen, vollippigen Mund und dunkle, jähzornige, tiefliegende Augen, die dichte Brauen säumten. Das kräuselige, duftige Haar, von zwei Kämmen zurückgehalten, fiel ihr auf die Schultern. Er konnte sich gut vorstellen, wie sie – die feucht schimmernden Lippen etwas geöffnet, eine Hüfte kokett vorgeschoben, mit dem anscheinend obligatorischen arroganten Augenausdruck – vor einer Kamera posierte. Als sie sich vorlehnte, um eine Weinbeere von der Traube zu zupfen und mit einer schnellen Bewegung in den Mund zu stecken, bemerkte er, daß ein paar fahle Sommersprossen ihre gebräunte Stirn zierten und über ihrer üppigen Oberlippe ein zarter Flaum aufschimmerte.
    Der Gastgeberin gegenüber saß Meg Dennison, die mit ihren pinklackierten Fingernägeln anmutig, aber ohne Geziertheit die dickschaligen Weintrauben enthäutete. Hilary Robarts hochmütiges Äußeres kontrastierte mit dem so völlig anderen Aussehen Meg Dennisons. Sie war auf eine altmodische, zwar gleichfalls gepflegte, aber nicht dermaßen selbstbewußte Weise hübsch und erinnerte ihn an Frauenphotographien aus den späten Dreißigern. Den Kontrast zwischen beiden hob auch die Kleidung hervor. Hilary Robarts trug ein tailliertes Hemdblusenkleid aus bunter indischer Baumwolle. Die obersten drei Knöpfe waren geöffnet. Meg Dennison hatte einen langen schwarzen Rock an und eine blaue, gemusterte Seidenbluse mit einer Schleife am Kragen. Doch am elegantesten war die Gastgeberin. Ihr langes Zeltkleid aus feiner dunkelbrauner Wolle, zu dem sie eine schwere Halskette aus Silber und Bernstein trug, kaschierte ihre Magerkeit, schmeichelte aber ihrem regelmäßig geschnittenen, ausdrucksstarken Gesicht. Verglichen mit ihr wirkte Meg Dennisons Hübschheit fast reizlos, während Hilary Robarts farbenfrohe Baumwollkreation geradezu wie ein Fähnchen aussah.
    Der Raum, in dem das Abendessen stattfand, war sicher ein Teil des ursprünglichen Cottage gewesen, dachte Dalgliesh. An diesen rauchgeschwärzten Balken hatte einst Agnes Poley ihr Rauchfleisch und die Bündel aus getrockneten Heilkräutern gehängt. Und in einem bauchigen Topf über der großen Herdstelle hatte sie die Mahlzeiten für ihre Familie gekocht. Vielleicht hatte sie sogar am knisternden Holzfeuer den prasselnden Scheiterhaufen vorausgeahnt, auf dem sie ihr schreckliches Martyrium erleiden sollte. Und jenseits des länglichen

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