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Vorsatz und Begierde

Vorsatz und Begierde

Titel: Vorsatz und Begierde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P. D. James
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weiterer PR-Job, für den Steuergelder verschwendet werden.«
    Er war viel zu intelligent, als daß er nicht merkte, daß sie ihm das Rückgrat stärken wollte. Sie war der einzige Mensch, von dem er Unterstützung erwartete, von dem er sie sich gefallen ließ.
    »Man befürchtet, daß wir uns in eine bedenkliche Lage manövrieren. Man sucht jemand, der uns da heraushelfen könnte. Außerdem muß man sich noch über so geringfügige Fragen wie die genauen Machtbefugnisse, die Zuständigkeitsbereiche und das Gehalt einig werden. Deswegen brauchen sie so lang mit der Festsetzung der Qualifikationen.«
    »Du brauchst doch keine schriftliche Festlegung der Qualifikationen, um zu wissen, wonach sie suchen. Sie brauchen einen renommierten Wissenschaftler, einen bewährten Verwaltungsfachmann und einen erfahrenen PR-Experten. Vermutlich wird man von dir verlangen, daß du dich einem TV-Test unterziehst. Daß man auf dem Bildschirm photogen aussieht, scheint heutzutage unumgänglich zu sein.«
    »Aber nur, wenn es sich um einen potentiellen Präsidenten oder Premierminister handelt. So weit werden sie schon nicht gehen.«
    Er schaute auf seine Uhr. »Es wird bald hell«, sagte er. »Ich sollte besser versuchen, ob ich nochmal einschlafen kann.«
    Aber sie trennten sich erst nach einer Stunde, und jeder ging auf sein Zimmer.

15
    Dalgliesh wartete, bis Meg Dennison die Haustür aufgeschlossen hatte und eingetreten war, und verabschiedete sich dann von ihr. Sie zögerte noch einen Augenblick und sah zu, wie der hochgewachsene Mann den Kiesweg entlangschritt und in der Dunkelheit verschwand. Dann ging sie in die rechteckige Wohndiele hinüber, die einen Mosaikboden und einen steinumrandeten Kamin hatte. In diesem Raum, dessen Geruch sie an eine Kirche erinnerte, kam es ihr an Winterabenden so vor, als hörte sie noch ganz schwach den Widerhall fröhlicher Kinderstimmen. Sie legte ihren Mantel auf den kunstvoll geschnitzten Eckpfosten am Fuß der Treppe und suchte die Küche auf, um noch das Frühstückstablett für die Copleys, Megs letzte Obliegenheit für den kommenden Tag, herzurichten. Es war ein großer Raum auf der Rückseite des Hauses, der, seitdem die Copleys den Alten Pfarrhof erstanden hatten, unverändert geblieben war. Links an der Wand stand ein alter Gasherd, der so schwer war, daß sie ihn nicht beiseite rücken konnte, um die Rückwand zu säubern. Es grauste ihr bei dem Gedanken, wieviel fettiger Dreck sich dahinter in all den Jahrzehnten angesammelt haben mochte. Unter dem Fenster war ein tiefes Abwaschbecken aus Porzellan. Es wies unappetitliche Flecken auf, wie sie eben in siebzig Jahren beim Geschirrspülen entstehen. Auch sie ließen sich nicht mehr entfernen. Der Boden war mit inzwischen ausgetretenen Steinplatten ausgelegt, von denen im Winter eine feuchte Kälte aufstieg, die ihre Beine klamm werden ließ. An der Wand gegenüber dem Fenster und der Spüle stand ein alter, vermutlich wertvoller Geschirrschrank aus Eichenholz, der, würde man ihn wegrücken, wahrscheinlich auseinanderfallen würde. Über der Tür hingen noch die Zimmerglocken von früher mit ihrer altertümlichen Beschriftung: Salon, Eßzimmer, Arbeitszimmer, Kinderzimmer. Es war eine Küche, in der der Ehrgeiz einer Köchin, wollte sie mehr als nur Eier kochen, eher erlahmte denn angestachelt wurde. Aber sie nahm diese Unzulänglichkeiten kaum noch wahr. Sie fühlte sich hier daheim wie in den übrigen Räumen des Alten Pfarrhofs.
    Nach all den lautstarken Auseinandersetzungen in der Schule, den vielen Bosheiten, den haßerfüllten Briefen war sie glücklich, daß sie hier ein zeitweiliges Asyl gefunden hatte, hier in diesem betulichen Haushalt, wo keiner die Stimme erhob, wo niemand fanatisch jede ihrer Äußerungen analysierte, in der Hoffnung, rassistische, sexistische oder faschistische Untertöne zu entdecken, wo Worte das ausdrückten, was sie seit Generationen ausgesagt hatten, wo Unflätigkeiten unbekannt waren oder nicht ausgesprochen wurden, wo das Leben in den althergebrachten Bahnen verlief, die Pfarrer Copley mit der Morgen- und Abendandacht absteckte. Manchmal wirkten sie, die drei Bewohner des Alten Pfarrhofs, auf Meg wie Heimatvertriebene, die es in eine abgelegene Kolonie verschlagen hatte, wo sie hartnäckig an überlebten Gebräuchen festhielten, an einer längst untergegangenen Lebensform, an altertümlichen Riten. Im Lauf der Zeit hatte sie ihre Schützlinge liebgewonnen. Vielleicht hätte sie Simon Copley noch mehr

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