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Vorsatz und Begierde

Vorsatz und Begierde

Titel: Vorsatz und Begierde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P. D. James
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Umbesetzung ihrer Mitarbeiter anfertigen. Normalerweise hätte sie eine solche Aufgabe mit Elan erledigt, da sie ihre Arbeit ernst nahm; sie wußte, daß man in Personalfragen nicht immer ihrer Meinung war, aber ihre organisatorischen und administrativen Fähigkeiten waren bisher noch nie kritisiert worden. Doch als sie die Papiere durchsah, begann sie darüber nachzugrübeln, ob sie all das vermissen würde, wenn sie verheiratet war und mit Alex in London lebte. Es erstaunte sie, daß sie sich im Grunde wenig darum scherte. Dieser Teil ihres Lebens war passé. Sie würde all das ohne Bedauern aufgeben – das schmucke Haus, das ihr nicht gehörte, das AKW, ja sogar ihren Job. Ein anderes Leben stand ihr bevor – Alex mit seinem neuen Posten, ihr Status als seine Frau, die Bewirtung von Leuten, die ihnen nützlich sein konnten, ab und zu noch ein paar selbstgewählte Aufträge, Reisen. Und ein Kind, sein Kind.
    Im letzten Jahr war die Sehnsucht nach einem Kind in ihr übermächtig geworden. Sie wuchs immer mehr an, während Alex’ Verlangen nach ihr stetig abnahm. Sie versuchte sich einzureden, daß eine Liebesaffäre, ähnlich einer Ehe, nicht auf dem unabänderlich gleichen erotischen oder emotionalen Niveau durchlebt werden konnte, daß sich zwischen ihnen im Grunde nichts geändert hatte, sich nichts verändern würde. Wie groß war denn das emotionale Engagement zu Beginn ihrer Beziehung schon gewesen? Ihr hatte es damals genügt. Sie wollte nicht mehr haben, als er zu geben bereit war: Zärtlichkeiten, die beide befriedigten, den prestigeträchtigen Status einer mehr oder minder geachteten Geliebten, die sorgsame Verheimlichung ihrer Beziehung, wenn sie in Gesellschaft waren, die weder nötig gewesen wäre noch erfolgreich war, die sie nicht einmal ernsthaft durchhielten, die aber, zumindest auf Hilary, ausgesprochen erotisierend wirkte. Es war ein Spiel gewesen, wenn sie sich vor Konferenzen oder im Beisein von Uneingeweihten förmlich begrüßt hatten, wenn er sie – zweimal wöchentlich – in ihrem Cottage besuchte. Als sie nach Larksoken gekommen war, hatte sie sich zunächst nach einer modernen Wohnung in Norwich umgesehen und schließlich nahe der Stadtmitte ein Apartment gemietet. Als dann jedoch ihre Affäre begann, wollte sie in seiner Nähe wohnen. Schließlich hatte sie das Haus gefunden, das nur wenige hundert Meter von Martyr’s Cottage entfernt lag. Er war, wie sie mittlerweile wußte, zu stolz und arrogant, als daß er sie verstohlen besuchen, sich nachts hinausschleichen würde wie ein Primaner, der seine Lust gestillt hatte. Demütigende Täuschungsmanöver waren unnötig. Die Landzunge war um diese Zeit menschenleer. Außerdem blieb er nie die ganze Nacht über; daß sie sich so selten trafen, war eben auch ein Kennzeichen ihrer Beziehung. In der Öffentlichkeit waren sie nur Arbeitskollegen. Er hielt ohnehin nicht viel von Vertraulichkeiten, vom Gebrauch der Vornamen, von plumper Kameraderie. Im AKW herrschte eine Disziplin wie auf einem Kriegsschiff.
    Doch dann war die Affäre, die mit soviel Umsicht, soviel emotionaler und gesellschaftlicher Zurückhaltung begonnen hatte, zu einer von Widerwärtigkeiten, Sehnsüchten und Qualen geprägten Beziehung mißraten. Hilary bildete sich ein, sie wüßte genau, wann sich ihre Sehnsucht nach einem Kind bis zur Besessenheit gesteigert hatte. Das war eingetreten, als die Operationsschwester in der teuren, auf Diskretion bedachten Klinik mit einer Miene, die ihre Mißbilligung und ihren Ekel nur schlecht kaschierte, das nierenförmige Becken mit der gallertartigen Masse, die der Fetus gewesen war, hinausgetragen hatte. Mittlerweile hatte Hilary das Gefühl, als wolle sich ihre Gebärmutter, die man klinisch einwandfrei entleert hatte, rächen. Sie hatte ihre Sehnsucht vor Alex nicht verhehlen können, auch wenn ihr bewußt war, daß ihn das abstieß. Sie erinnerte sich, wie sie ihn mal aufsässig, mal bettelnd wie ein quengeliges Kind bedrängt hatte. Sie hörte ihn auflachen, sah seine Entsetzen vortäuschende Miene, hinter der er seine Abneigung verbarg.
    »Ich möchte ein Kind!«
    »Sieh mich doch nicht so an, Liebling! Auf dieses Experiment lasse ich mich nicht mehr ein.«
    »Du hast ja auch ein Kind, das gesund ist, das lebt, das Karriere machen wird. Dein Name, deine Gene, all das wird nicht untergehen.«
    »Darauf habe ich noch nie großen Wert gelegt. Charles hat das Recht auf ein Eigenleben.«
    Sie hatte versucht, sich diese

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