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Vorsatz und Begierde

Vorsatz und Begierde

Titel: Vorsatz und Begierde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P. D. James
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Kochbuchlektorin, schwungvoll eintrat. Wenn er sie sah, mußte er stets an ein intelligentes Insekt denken, wobei die hellen, leicht vorquellenden Augen hinter den großen runden Brillengläsern diesen Eindruck noch verstärkten. Sie trug die rehbraune Strickjacke mit Rippenmuster, die er gut kannte, und flache, spitz zulaufende Schuhe. Im englischen Verlagswesen war Nora Gurney zur Autorität geworden, was sich auf ihre langjährige Tätigkeit zurückführen ließ – keiner wußte noch, wann sie zu Herne & Illingworth gekommen war –, und auf ihre unerschütterliche Überzeugung, daß ihr diese Macht auch gebührte. Es war zu erwarten, daß sie diese auch unter der neuen Verlagsleitung ausüben würde. Dalgliesh hatte sie zuletzt vor drei Monaten getroffen, auf einer der periodisch stattfindenden Verlagspartys, die, soweit er wußte, aus keinem besonderen Anlaß veranstaltet wurden, es sei denn, man wollte den Autoren mittels der inzwischen vertrauten Weinsorten und Häppchen demonstrieren, daß der Verlag geschäftlich weiterhin reüssierte und im Grunde dieselbe altehrwürdige, liebenswerte Firma geblieben war. Auf der Gästeliste standen hauptsächlich die renommiertesten Autoren der gängigsten Sparten, eine Taktik, die auch bei der letzten Party zu einer von Unschlüssigkeit und parteilicher Befangenheit geprägten Atmosphäre beigetragen hatte. Die Lyriker hatten reichlich getrunken und sich hernach – je nach Naturell – weinerlich oder liebestoll gebärdet. Die Romanciers hatten sich wie störrische Hunde, denen man das Zuschnappen untersagt hatte, in einem Winkel zusammengedrängt. Die Akademiker wiederum hatten Gastgeber und sonstige Gäste ignoriert und sprachgewaltig miteinander disputiert, während die Kochbuchautoren die Kanapees nach dem ersten Biß mit einem Ausdruck von Abscheu, qualvoller Überraschung oder eines nachsichtigen, abwägenden Interesses auf der nächstbesten Stellfläche deponiert hatten. Nora Gurney hatte Dalgliesh in einer Ecke des Zimmers in Beschlag genommen und ihn in ein Gespräch über die Durchführbarkeit einer Theorie verwickelt, die sie sich jüngst ausgedacht hatte. Könnte man nicht, fragte sie, da ja jeder Fingerabdruck einzigartig war, von der gesamten Bevölkerung Fingerabdrücke nehmen, die Daten in einem Computer speichern und sodann wissenschaftlich untersuchen, ob nicht gewisse Kombinationen von Linien und Rillenwirbeln auf eine kriminelle Veranlagung hindeuteten? Auf diese Weise könnte man Verbrechen doch von vornherein verhindern, statt sie wie irgendeine Krankheit zu behandeln. Dalgliesh hatte eingewandt, daß die Daten – kriminelle Tendenzen gab es ja allenthalben, man brauche sich nur anzusehen, wo überall die Partygäste ihre Autos geparkt hätten – nicht zu bewältigen seien. Hinzu kämen noch logistische und ethische Probleme, die eine Registrierung von Fingerabdrücken bei der Gesamtbevölkerung mit sich brächte, und die entmutigende Erkenntnis, daß die Kriminalität, sofern man sie überhaupt mit einer Krankheit vergleichen dürfe, leichter zu diagnostizieren als zu behandeln sei. Es war fast eine Erlösung, als eine Schriftstellerin von stattlicher Gestalt, eingezwängt in ein geblümtes Cretonne-Kostüm, das ihr das Aussehen eines wandelnden Sofas verlieh, ihn beiseite führte, einen Packen zerknitterter gebührenpflichtiger Verwarnungen wegen Falschparkens aus ihrer prallen Handtasche zog und ingrimmig von ihm wissen wollte, was er dagegen zu tun gedenke. Die Liste der von Herne & Illingworth verlegten Kochbücher war nicht lang, aber beeindruckend. Die besten Autoren genossen ob ihrer Zuverlässigkeit, Originalität und ihres lobenswerten Stils ein unerschütterliches Ansehen. Miss Gurney hing mit wahrer Leidenschaft an ihrem Job und ihren Schützlingen. Romane und Lyrikbände waren für sie irritierende, wenngleich notwendige Nebenprodukte des Verlages, dessen Hauptaufgabe die Pflege und Veröffentlichung ihrer Protegés war. Man kolportierte, daß sie selbst eine lustlose Hobbyköchin sei, ein weiterer Hinweis auf die feste Überzeugung der Briten, die in den höheren, wenn auch minder nützlichen Bereichen menschlicher Beschäftigung weit verbreitet war, daß nämlich nichts den Erfolg so sehr schmälert wie die Beherrschung eines Metiers. Es überraschte Dalgliesh keineswegs, daß sie seine Anwesenheit als einen Glücksfall ansah und ihre Bitte, er möge doch einen Stapel Korrekturbögen Alice Mair überbringen, geradezu

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