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Vorsatz und Begierde

Vorsatz und Begierde

Titel: Vorsatz und Begierde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P. D. James
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von Norfolk den Whistler faßt, könnten Sie ihn sich doch mir zuliebe ansehen, geht das? Überprüfen Sie, ob er nicht unser Kunde in Battersea ist!«
    »Der Würger von Battersea? Aber das ist doch wohl sehr unwahrscheinlich, wenn man die Zeitangaben und näheren Umstände vergleicht. Oder ziehen Sie diese Möglichkeit wirklich in Betracht?«
    »Nicht ernsthaft. Aber Gottvater ist nun mal nicht zufrieden, solange wir nicht alle Theorien überprüft haben und jeder denkbaren Spur nachgegangen sind. Ich habe unsere bisherigen Erkenntnisse für Sie zusammengestellt und auch ein Phantombild beigefügt. Sie wissen ja, daß er ein paarmal gesichtet worden ist. Und ich habe Rikkards informiert, daß Sie sich in seinem Revier aufhalten werden. Sie erinnern sich doch noch an Terry Rikkards?«
    »Aber ja.«
    »Er ist mittlerweile Chief Inspector und hat sich in Norfolk ganz schön herausgemacht. Besser jedenfalls, als wenn er hier bei uns geblieben wäre. Außerdem habe ich erfahren, daß er geheiratet hat, was dieses Rauhbein vielleicht etwas umgänglicher stimmt.«
    »Ich werde mich zwar in seinem Revier aufhalten, aber – dem Himmel sei Dank! – nicht zu seiner Verfügung stehen. Und warum sollte ich Sie auch um einen Tag auf dem Land bringen, wenn die dort den Whistler dingfest machen?«
    »Ich mag das Land nicht, und schon gar nicht flaches Land. Denken Sie nur daran, wieviel Geld Sie dem Steuerzahler dadurch ersparen! Aber natürlich fahre ich nach Norfolk hinauf – oder besser hinunter? –, wenn der Bursche es wert ist, daß ich ihn mir vorknöpfe. Sehr freundlich von Ihnen, Adam. Schönen Urlaub auch.«
    Nur Cummings brachte eine solche Dreistigkeit auf. Aber die Bitte war nicht ungebührlich. Zudem richtete sie sich an einen bloß um etliche Monate älteren Kollegen, der stets Zusammenarbeit predigte und auf die sachdienliche Ausschöpfung sämtlicher Ressourcen großen Wert legte. Außerdem war es unwahrscheinlich, daß ihm sein Kurzurlaub durch eine noch so flüchtige Begegnung mit dem Whistler, dem berüchtigten Serienmörder in Norfolk, vergällt werden könnte, mochte er ihn tot oder lebendig zu Gesicht bekommen. Der Mann trieb mittlerweile schon seit fünfzehn Monaten sein Unwesen, und sein letztes Opfer – hieß sie nicht Valerie Mitchell? – war sein bislang viertes. Solche Fälle waren zumeist schwierig, zeitaufwendig, mühevoll, da ihre Aufklärung häufig mehr von Glücksumständen als von ausgebuffter Fahndungsarbeit abhing. Als er die Rampe hinab zur Tiefgarage ging, schaute er auf seine Uhr. In einer Dreiviertelstunde war er unterwegs. Vorher mußte er jedoch noch etwas mit seinem Verleger besprechen.

3
    Der Fahrstuhl des Verlags Messrs. Herne & Illingworth am Bedford Square war beinahe so alt wie das Gebäude selbst: ein Sinnbild hartnäckigen Festhaltens an einer längst überholten Eleganz und einer etwas schrulligen Unwirtschaftlichkeit, hinter der sich jedoch eine durchaus gewiefte Geschäftspolitik verbarg. Während ihn der Lift mit einem beunruhigenden Rucken nach oben beförderte, dachte Dalgliesh, daß Erfolg, selbst wenn er zugegebenermaßen wohltuender war als eine Schlappe, auch seine Schattenseiten hatte. Dazu zählte Bill Costello, der PR-Direktor, der ihn in seinem bedrückend engen Büro auf der vierten Etage erwartete.
    Sein Durchbruch als Schriftsteller war mit einem Wandel im Verlag zusammengefallen. Zwar gab es Herne & Illingworth noch – beide Namen standen stilvoll gedruckt oder mit Prägelettern unter dem altehrwürdigen, eleganten Verlagssignet –, aber die Firma gehörte inzwischen einem multinationalen Konzern an, der neben Konserven, Zucker und Textilien nun auch Bücher vertrieb. Der alte Sebastian Herne hatte eines der wenigen noch vorhandenen Londoner Verlagshäuser mit individuellem Flair für achteinhalb Millionen Pfund veräußert und gleich darauf eine ungemein hübsche PR-Assistentin geehelicht, die nur den Abschluß der Transaktion abgewartet hatte, bevor sie, allen unguten Vorahnungen zum Trotz, den unlängst erlangten Status einer Geliebten gegen den einer Ehefrau eintauschte, womit sie Geschäftssinn bewies und ihre Zukunft absicherte. Herne hatte binnen dreier Monate das Zeitliche gesegnet, was reichlich anzügliche Kommentare, doch nur wenig Bedauern auslöste. Zeit seines Lebens war Sebastian Herne ein bedachtsamer, den Konventionen verhafteter Mensch gewesen, der jegliche Extravaganz, Phantasie und gelegentliche Risikofreudigkeit

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