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Vorzeitsaga 01 - Im Zeichen des Wolfes

Vorzeitsaga 01 - Im Zeichen des Wolfes

Titel: Vorzeitsaga 01 - Im Zeichen des Wolfes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathleen O'Neal Gear , W. Michael Gear
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»Und wie?«
    »Ich fand die Ruhe unter der Bewegung.«
    Er rieb seine Nase. Die verfluchte Stille hinter dem Lärm, die verfluchte Ruhe unter der Bewegung.
    Die alte Hexe trieb ihn noch in den Wahnsinn. Durch die zusammengebissenen Zähnen fauchte er:
    »Wie?«
    »Ich zog mich aus meinem eigenen Tanz zurück.«
    »Du zogst dich …« stammelte er hilflos. Kopfschüttelnd sah er sie an.
    Gebrochener Zweig kicherte gereizt. Sie rutschte hinüber zu Reiher. Mit großem Ernst erklärte sie:
    »Ich weiß es. In dem Moment, in dem du so etwas tust, bist du verrückt. Dann hast du keinen Funken Verstand mehr.«
    »Schon seit Wochen versuche ich, dir genau das zu erklären.« Von der Seite blickte Reiher zu Wolfsträumer hinüber. In ihren Augen blitzte eine Spur Ironie.
    Er packte das Fell seiner Stiefel und zerrte unruhig daran. Langsam begann er den Sinn ihrer Worte zu verstehen. Die Erklärung erschreckte ihn zutiefst. »Kein Verstand bedeutet kein Selbst, das dir im Wege steht, während du dich dem Rhythmus des Großen Tanzes überläßt.«
    »Genau. Kein Verstand bedeutet Befreiung. Du beendest deinen ureigensten, nur dir gehörenden Tanz und bewegst dich im Einen Tanz.«
    Um Zeit zum Nachdenken zu gewinnen, deutete er auf die Kohlen: »Anfangs mußt du dir schwere Verbrennungen zugezogen haben.«
    Sie lächelte schmerzlich. Ein wenig spöttisch antwortete sie: »Ich hatte lange Zeit dicke Schwielen und Hornhaut.«
    »Kann ich …« Er schüttelte den Kopf, als könne er es selbst nicht fassen, eine solche Möglichkeit in Betracht zu ziehen. »Kann ich das auch?«
    »Ich hätte es dir nicht gezeigt, wenn ich es nicht für möglich hielte. Ich bin überzeugt, du kannst es lernen. Man kann es mit der Überquerung eines Gebirges vergleichen. Das Klettern ist hart und gefährlich, aber erst wenn du die andere Seite des Berges gesehen hast, kannst du die Welt als Ganzes begreifen.« Zur Verdeutlichung ihrer Worte türmte sie die Finger übereinander und symbolisierte die einzelnen Schritte.
    »Und dies ist ein weiterer Schritt zur Erkenntnis der Magie der Träume.«
    Ein ungewöhnlich intensives Leuchten glomm in ihren Augen. Er schauderte.
    »Ein weiterer Schritt?«
    »O ja. Und diesen Schritt mußt du bis zur Vollkommenheit beherrschen, sonst wirst du von all deinen individuellen Tänzen zu Tode getrampelt.«

KAPITEL 33
    Der Sonnenuntergang tauchte die Welt in pastellfarbene Töne. Wolfsträumer lief, nur begleitet von seinem riesigen, auf die steile graue Felswand projizierten Schatten. Tief unten in der Ebene erblickte er den in die Luft aufsteigenden Dampf von Reihers heißen Quellen. Im Abendlicht schimmerte der Dunst in warmem Gelb.
    »Lauf, lauf,« wiederholte er ständig. Die Laufübung diente der Konzentration.
    Weiße Atemwolken tanzten vor ihm her, seine Füße brachen knirschend in die dünne Schneekruste ein. Bei jedem Schritt leiteten seine Fersen die kleine Erschütterung weiter. Kies spritzte auf, als er mit kühnem Sprung über einzelne kleine Felsen hinwegsetzte. Die größeren Findlinge umlief er im Zickzackkurs. Der eiskalte Wind aus dem Süden hatte sein Gesicht hochrot gefärbt. Seine keuchenden Lungen arbeiteten auf Hochtouren, doch der dumpfe Schmerz konnte ihn nicht über seine brennenden Füße und Beine hinwegtäuschen.
    Befreie deinen Kopf. Lauf, Wolfsträumer, lauf, bis du deinen Körper vergessen hast, bis du außerhalb deines Selbst stehst und hineinsiehst. Tanze den Großen, den Einen Tanz.
    Anfangs wechselte sein Bewußtsein ständig zwischen Innen und Außen. Doch plötzlich schwang er sich empor, über Leib und Seele hinaus, war frei. In seiner übergroßen Freude darüber zerplatzte dieses Gefühl jedoch wie eine überdehnte Blase, und er kam rasch wieder zurück. Er empfand ein merkwürdiges Kribbeln auf der Haut, als kröche ein Insektenschwarm darüber.
    Er zwang sich zu einer Rast, beugte den Oberkörper vor und hustete. Seine Lungen gierten nach Luft.
    Schweiß lief ihm über das Gesicht. Halb bewußtlos machte er einen schwankenden Schritt nach dem anderen und versuchte, seine Lungen zu beruhigen und den Schmerz zu ignorieren. Seine Zunge klebte so trocken wie ein brüchiges Stück Leder an seinem Gaumen.
    Er straffte den Körper und bückte sich, um mit den Händen etwas" Schnee von einem kleinen Grashügel zu scharren und seinen Durst zu stillen.
    Eine scharf gezogene weiße Linie markierte den Horizont im Osten. Das Große Eis. Schweratmend lief er weiter. Seine Beine brannten

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