Vorzeitsaga 02 - Das Volk des Feuers
hörte und hörte nicht auf. Kalter Schweiß rann über ihre runzlige Haut.
Fröstelnd setzte sie sich auf und zog ihre Decke wie einen Umhang fest um sich. Stöhnend vor Anstrengung hinkte sie hinüber zum Feuerloch und stocherte in der Asche nach Glutresten. Als sie eine noch leicht glühende Kohle entdeckte, legte sie Zunder darauf und blies, bis eine kleine Flamme hochzüngelte. Sie legte Brennmaterial nach und entfachte ein loderndes Feuer. Dankbar für die Wärme streckte sie die Hände aus, doch die Kälte ihres Fleisches wurde nicht gelindert. Die Kälte strömte aus ihrem Inneren.
Sie sah hinauf zu der Spirale an der Wand. »Ist die Zeit gekommen?
Ist das der Grund?«
Aus einem Beutel nahm sie Salbei, befeuchtete ihn und warf ihn in die Kohlen. Aufrecht stehend ließ sie die Decke von ihren mageren Schultern gleiten. Nackt trat sie in den dampfenden, in Schwaden vom Feuer aufsteigenden Rauch und ließ sich von ihm einhüllen. Sie reinigte sich bis in die tiefste Seele. Salbei, der Lebensspender, sickerte in jede einzelne Pore.
Im Dämmerlicht blickte sie an ihrem Körper hinunter auf die flachen, wie leere Beutel herunterhängenden Brüste. Ihr Bauch war abgesackt, die Haut an Armen und Beinen schlaff und runzlig. Die hageren, aus ihren Schultern vorstehenden Knochen bildeten tiefe Löcher. Das in kurzen Zöpfen über ihre Schultern hängende Haar schimmerte weiß. Die einmal schwarz leuchtende Matte ihres Schamhaares hatte sich in ein spärliches weißes Büschel verwandelt, das sie unter dem hängenden Bauch kaum noch sehen konnte.
»Wahrhaftig, du bist alt geworden, Grüne Weide.« Sie kicherte und erinnerte sich an ihre erste Menstruation. Wie stolz war sie gewesen, eine Frau zu sein. Aber sie hatte ein weiteres Jahr gebraucht, um Großer Fuchs so weit zu bringen, daß er die Decken mit ihr teilte. Die Paarung war schwierig, wenn eine Frau in dem Ruf stand, seltsam zu sein und mit den Geistern sprechen zu können.
Außerdem machten sich die Männer die absonderlichsten Vorstellungen darüber, was der Geschlechtsakt mit einer Hexe bei ihren allerheiligsten Penissen bewirken könne.
Ihre ungewöhnliche Schönheit hatte es den Männern noch schwerer gemacht. Bis zu dem Jahr, in dem Großer Fuchs sie endlich nahm, kämpften die Männer gegen sich selbst: Das Verlangen nach ihrem prallen jungen Fleisch kämpfte gegen die Angst vor ihren Träumen und der Macht, mit der sie offensichtlich ganz selbstverständlich umging. Schließlich hatte sie Großer Fuchs, voller Manneskraft und Stolz, daß nicht einmal die Angst vor einer magischen Macht ihn abhalten könne, zu sich ins Bett genommen. Noch bevor die anderen sich dazu durchringen konnten, es auch einmal mit ihr zu versuchen, hatte sie ein Kind empfangen.
»Großer Fuchs.« Sie sprach seinen Namen voller Wehmut aus, erinnerte sich an seine vortrefflich modellierten Muskeln, an sein Lachen und seine Fröhlichkeit. Ah, wenn je ein Mann für die Leidenschaft einer jungen Frau geschaffen worden war, dann er.
Doch auch abgesehen davon, war er ein außergewöhnlicher Mann gewesen - und jede Minute wert, die sie mit ihm verbracht hatte.
Dann war die Macht gekommen und hatte sich in ihr Inneres gedrängt, mit noch mehr Kraft und Vitalität als Großer Fuchs. Auf dieselbe Weise, wie er ihren Körper besessen und zu dem seinen gemacht hatte, hatte die Macht von ihrer Seele Besitz ergriffen - und die Seele konnte sich nicht verweigern wie der Körper.
Sie hatte ihren Mann verlassen und war den Weg gegangen, der sie schließlich hierher in diese Höhle geführt hatte. Ihre Kenntnis über die Wege der Geistermächte hatte sie von Sechs Zähne erworben.
Nach dem Tod des alten Mannes hatte sie ihn auf den Hügel hinaufgeschleppt, seinen Leichnam in eine Felsspalte geschoben und diese verschlossen, um die räuberischen Tiere fernzuhalten.
Als sie zum erstenmal merkte, daß Gestutzte Feder hinter ihr her sah, war ihre Schönheit noch nicht geschwunden. Er verlor sich vollkommen in den Wundern und Geheimnissen ihres Körpers. Was sie mit Großer Fuchs nicht hatte teilen können - all die Gedanken über Mächte und Träume - darüber konnte sie mit Gestutzte Feder reden.
Sie hatten das Lager geteilt und wieder hatte sie ein Kind empfangen. Aber im Unterschied zu Großer Fuchs hatte Gestutzte Feder Verständnis dafür aufgebracht, daß sie ihn verließ. Er fühlte die Macht des Traumes und wußte um die Beeinträchtigung, die durch die sexuelle Vereinigung
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