Vorzeitsaga 02 - Das Volk des Feuers
drehte sich um und starrte sie ungläubig an. »Der Krieger ist noch nicht geboren, der einen Speer durch Blutbär jagen kann!«
»Der Krieger ist geboren«, widersprach Weißes Kalb müde. »Der Krieger weiß es bloß noch nicht.«
»Wovon sprichst du jetzt wieder?«
»Bleib ganz ruhig stehen. Ich mache etwas Wasser heiß und wasche die Wunden aus. Am meisten beunruhigen mich die Bißwunden auf deinen Brüsten. Wenn die vereitern, wird dir das von Herzen leid tun.«
Tangara beobachtete sie mißtrauisch. Inzwischen hatte sich ihr Zittern etwas gelegt, doch ihre zerschundene Haut war stark gerötet.
Weißes Kalb reinigte die Wunden des Mädchens und fühlte die Schmerzen, die sie ihr dabei zufügen mußte, fast am eigenen Leib.
Aber auf Tangaras Gesicht zeigte sich trotz der Qualen, die sie aushalten mußte, keine Regung.
»Wie schon gesagt, du besitzt eine große innere Stärke.« Sie runzelte die Stirn. »Vielleicht hat diese Eigenschaft mir immer gefehlt.
Ah, gut, dies ist ein Zeitalter der Helden.«
»Ich begreife noch immer nicht, wovon du redest.«
Weißes Kalb holte eine Decke und reichte sie Tangara, die unruhig herumzappelte und sich schließlich vom Feuer entfernte. Ein feiner Schweißfilm hatte sich auf ihren muskulösen Beinen und ihrem Bauch gebildet.
Weißes Kalb tat diese Worte mit einer verächtlichen Handbewegung ab. »Das ist auch nicht nötig.
Jedenfalls jetzt noch nicht. Du darfst nur nicht vergessen, dem Träumer zu vertrauen. Du bist die Kraft und die Stärke des Rothand-Volkes. Begreifst du?«
»Dem Träumer vertrauen?« Der Versuch eines Lächelns ließ sie vor Schmerz zusammenzucken.
»Vertraue dem Träumer«, betonte Weißes Kalb mit größtem Nachdruck.
Sie legte den Kopf schief. »Sag mir, Tangara, bist du stark genug? Kannst du …«
Tangara drückte die scharfe Spitze ihres Speeres leicht an Weißes Kalbs Kehle und sah ihr mit einem zu allem entschlossenen Blick in die Augen. »Ich habe zwei der schleimigen Maden getötet, die mich vergewaltigt haben, Alte. Erzähl mir nichts von Stärke. Sie dachten, ich wäre ein gebrochenes Wrack, doch ich tötete und entkam ihnen -und so wahr mir das Wolfsbündel helfe, diese Tat wird das Kleine-Büffel-Volk bereuen!«
Weißes Kalb achtete nicht auf die Berührung der messerscharfen Steinspitze. »Das ist Leidenschaft, Rachedurst. Jeder kann sich in eine derartige Wut hineinsteigern und einmal über sich selbst hinauswachsen. Ich fragte dich nach Stärke. Kannst du tun, was du tun mußt} Kannst du das Gewicht der Verantwortung für das Rothand-Volk auf deinen Schultern tragen? Kannst du die Leute führen, gleichgültig, welchen Preis du dafür bezahlen mußt?«
»Ich habe getötet, oder etwa nicht?«
»Jeder verdammte Idiot kann töten. Kannst du dich für die Sache des Rothand-Volkes aufgeben?
Kannst du über deine Rache hinausblicken?
Darum geht es. Ich suche nach wahrer Stärke - nicht nach einem weiteren schwachen Narren wie Blutbär.«
»Du nennst ihn einen schwachen Narren?«
Weißes Kalb nickte. Nach dieser Bewegung spürte sie, wie ein Blutstropfen an ihrem Hals hinunterlief. »Er ist nicht besser als Schwerer Biber - nur weniger überzeugend. Auch er weist die Macht schmählich zurück.«
Die Speerspitze wurde zurückgezogen. Tangara schüttelte den Kopf.
»Du überraschst mich. Hätte mich diese Speerspitze am Hals gekitzelt, ich hätte um mein Leben gefürchtet. Hast du keine Angst, Weißes Kalb?«
Sie wischte sich das Blut ab. »Doch, ich habe Angst. Aber ich fürchte nicht den Tod. Ich erwarte ihn.
Ich habe eine Menge Fragen, die ich gerne beantwortet haben möchte. Aber darum geht es jetzt nicht.«
»Du zweifelst an meiner Stärke?« Tangara zog die Augenbrauen hoch.
»Ich könnte die ganze Welt umbringen, alle sollen bezahlen für das, was man mir…«
»Genau das macht mir Sorgen.« Weißes Kalb seufzte tief. »Ich muß wissen, ob du stark genug bist, deine Wut deinem Verstand unterzuordnen. Kannst du das?«
»Verstand? Wut? Wovon sprichst du?«
»Wenn du mich jetzt nicht bald verstehst, dann … Großer Weiser im Himmel steh uns bei, denn dann wirst du vermutlich das Rothand-Volk umbringen.«
Tangara starrte sie an. Heiß lodernde Wut sprach aus ihren funkelnden Augen.
»Vergiß es. Da ist eine Schüssel mit heißer Brühe. Du mußt ja vor Erschöpfung fast umfallen. Iß und schlaf, und wenn uns noch Zeit bleibt, reden wir morgen früh weiter.«
Kleiner Tänzer hielt sich an einem griffigen
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