Vorzeitsaga 03 - Das Volk der Erde
gewartet.« Mit einem Finger hob er Weiße Esches Kinn. »Jetzt steht mir nichts und niemand mehr im Wege.« Er senkte die Stimme.
»Heute nacht, Weiße Esche, verbindet sich deine Macht mit der meinen. Und dir wird es sogar gefallen.« Er warf einen raschen Blick auf die große Frau, die Weiße Esche unverwandt aus schmalen Augen anstarrte. »Dank der gründlichen Unterweisung von Bleicher Rabe.«
»Wir werden sehen, Tapferer Mann. Wir werden ja sehen, wen du letztendlich vorziehen wirst«, warf Bleicher Rabe mit rauher Stimme ein.
Tapferer Mann hinkte zu einem großen Zelt hinüber, das allein inmitten des Lagers stand, und rief:
»Bringt sie her. Jetzt gehört sie mir.«
Lahm! Tapferer Mann hatte ein lahmes Bein! Ein lahmer Krieger, hatte Kranker Bauch nach seinem schrecklichen Traum gesagt. Großer Donnervogel, nein!
Sie versuchte davonzuspringen, doch Büffelsprung packte sie und hob sie geschickt auf seine kräftigen Schultern.
»Entspann dich, Weiße Esche.« Bleicher Rabe sprach in ruhigem Ton auf »Ich habe ihn für dich trainiert. Er ist ein eifriger Schüler gewesen.
sie ein.
Es wird dir sehr viel besser gefallen, als dich von einem gewöhnlichen Krieger bespringen zu lassen.«
»Leg ein gutes Wort für mich ein«, bat Weiße Esche. »Laß nicht zu, daß er das tut! Macht es dir denn gar nichts aus? Wenn du ihn liebst, wieso willst du dann, daß er mich nimmt?«
Bleicher Rabes Stimme wurde kehlig und wollüstig. »Oh, ich bin überzeugt, er kommt zu mir zurück.
Alles, was er von dir will, ist ein Kind und deine Macht. Laß ihn seinen Samen in dich pflanzen, Weiße Esche. Du kannst doch nichts dagegen tun, also kannst du es ebensogut genießen. Wie gesagt…
er ist recht gut.«
Vor dem großen Zelt blieb Büffelsprung stehen. Weiße Esche sah die auf die Häute gemalten Symbole der Macht die Spiralen, den Wolf und die Sonne.
»Setz sie auf die Felle«, befahl Tapferer Mann. »Was geschehen wird, soll vom Lager der Toten aus zu sehen sein.«
Büffelsprung warf sie auf die übereinandergelegten Felle vor dem Zelt. Weiße Esche biß die Zähne zusammen, Tränen verschleierten ihren Blick. Es würde wieder geschehen. Gegen so viele Gegner konnte sie nicht ankämpfen.
»Tapferer Mann?« fragte Weiße Esche und versuchte, ihrer Stimme einen sicheren Klang zu verleihen.
»Was ist mit dir geschehen? Erinnerst du dich nicht mehr, was einmal zwischen uns war? Was geschah mit dem freundlichen jungen Mann… was widerfuhr dem Mann, den ich einst liebte?«
Er hob den Kopf und blickte zum Nachthimmel hinauf, wo die Sterne zu funkeln begannen. »Die Macht rief mich. Eine Macht hat keine Verwendung für ein weiches Herz oder Gefühlsduseleien. Der Tapferer Mann, den du gekannt hast, starb im Lager der Toten. Das Lager der Toten schälte die weichen Teile meiner Seele ab wie Rinde von einem alten Baum. Nur das harte Holz blieb zurück.«
»Nach allem, was hinter uns liegt, kannst du das nicht tun. Laß mich gehen. Ich werde nie zurückkommen. Ich möchte nur…«
»Es ist zu spät.« Er hob die Arme zu den Sternen hinauf. »Ein neuer Weg wartet auf uns, und die Macht hat mich erwählt, ihn zu beschreiten und das Volk zu führen.«
Sie biß sich auf die Lippen. »Und was willst du von mir?«
»Die Stimmen sagten mir vor langer Zeit, daß du die Macht besitzt. Durch dich finde ich den Weg zum goldenen Dunst. Mit deiner Macht werde ich lernen, den goldenen Dunst zu kontrollieren und den neuen Weg zu beschreiten. Die Stimmen sagten mir, daß ich heute nacht meinen Sohn zeuge und er wird so groß und mächtig sein wie nie ein Mann zuvor.«
Stöhnend griff Tapferer Mann an sein schmerzendes Bein. Er nahm einen Gegenstand aus Leder von einem Dreifuß. »Siehst du das? Das ist das Geisterherz des Wolfsvolkes.«
Das Wolfsbündel! Kranker Bauchs Vision ging ihr durch den Kopf. Zu spät. Wir kommen zu spät.
Kranker Bauch, es tut mir leid. Ich hätte zur Eile drängen sollen. Alles ist meine Schuld. Ich habe getrödelt. Meine Angst vor dem Wolfsvolk…
»Du wirfst es ins Feuer, nachdem du mit mir fertig bist.« Die Worte fühlten sich in ihrem Mund wie Kieselsteine an.
Tapferer Mann nickte. »Du bist im Besitz einer Macht. Du weißt es… und du weißt, warum ich es tun muß. Du weißt, was die Macht mit dir vorhat … und mit mir. Alles wird sein, wie es sein muß, Weiße Esche. Und wenn du mich noch so sehr haßt, ich muß dich meinem Willen unterwerfen. Du kannst deine Macht nicht leugnen und mit dir
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