Vorzeitsaga 03 - Das Volk der Erde
gegen uns kämpfen wollen, sagt, daß wir ihr Herz verbrannt haben.«
Bleicher Rabe fröstelte und rieb sich die Oberarme. »Ich mag dieses Ding nicht. Ich kann es beinahe fühlen. Wie kannst du so sorglos mit ihm umgehen?«
Er hielt das Herzbündel dicht vor seine Augen und betrachtete es nachdenklich. »Weil meine Macht größer ist als die seine. Es hat versucht, mich zu bekämpfen und hat verloren.« Mit dem Zeigefinger stieß er in das Bündel. »Die Sonne ist stärker als das Herz. Alles kommt von der Sonne. Sogar der Große Donnervogel und der Große Bär. Vor allem anderen war die Sonne da, der einzige Schöpfer und Lebensspender. Das Sonnenvolk ist der neue Weg für die Welt… und ich bin der neue Weg für das Sonnenvolk.«
Bleicher Rabe bedachte ihn mit einem nüchternen Blick. »Ich möchte dich nicht zum Feind haben.«
Er lachte und hegte aufrichtige Bewunderung für ihr wachsendes Einfühlungsvermögen in seine Gedanken. »Und ich dich nicht.«
Neugierig schob er den Kopf vor. »Sag mir, wie du Sonnenfedern umgebracht hast.«
Sie legte die Arme um die Knie und faltete die Hände. Gleichgültig sah sie hinüber zu den nur noch schemenhaft erkennbaren Bäumen. »Woher willst du wissen, daß ich das getan habe?«
»Das fragst du den mächtigsten Mann des Stammes der Gebrochenen Steine? Das fragst du den Träumer, der all das hier geträumt hat?« Mit einer großartigen Geste umfaßte er das Lager, wo hier und da im samtdunklen Abend ein Feuer aufzuflackern begann.
Sie überlegte einen Moment, ehe sie antwortete: »Das Alter zehrt an den Kräften eines Mannes … und er war ein alter Mann. Ich wußte, er hatte vor, dir Schwierigkeiten zu machen. Ich sah es in seinen Augen. Er konnte nicht zulassen, daß du ein Bürschchen, ein Junge aus dem Weißlehm-Stamm ihm seinen Status streitig machst. Als er zu seinem Zelt ging, folgte ich ihm, ging hinein und behauptete, ich müsse ihm etwas sagen. Er bot mir Platz an. Nachdem er sich gesetzt hatte, ergriff ich im dämmrigen Licht einen Ledersack und zog ihn ihm über den Kopf. Ich legte mich auf ihn und drückte seinen Kopf in die vielen weichen Pelzdecken, auf denen er saß. Er wehrte sich für sein Alter ziemlich heftig, dennoch war er zu schwach. Ich mußte einige Zeit warten, bis er aufhörte zu zappeln.«
»Hast du ihn gehaßt?«
Sie schnaubte höhnisch. »Das auch.«
Tapferer Mann streckte die Hand aus. »Hilf mir auf. Es wird Zeit, mit dem Tanz zu beginnen.«
Sie erhob sich und half ihm auf die Beine. Er zuckte zusammen, als sein Gewicht auf sein krankes Knie drückte. Das Bündel legte er wieder auf den Dreifuß. »Hoffentlich haben wir genug Holz.«
Sie stützte ihn und erwiderte: »Mit dem Haufen, den du hast heranschleppen lassen, können wir den ganzen Berg niederbrennen.«
Er sah zum Nachthimmel hinauf. »Nur so ist das Feuer auch vom Lager der Toten aus sichtbar.«
Bleicher Rabe trat zum nächstgelegenen Feuer, entzündete eine Fackel und reichte sie ihm. Tapferer Mann ging hinüber zu dem riesigen Holzstoß, den die Leute zusammengetragen hatten, und setzte den Zunder in Brand. Schon bald begannen gewaltige Flammen zum Himmel hinaufzulodern.
Von überall her eilten die Leute herbei und bewunderten mit großen Augen das Feuer. Tapferer Mann legte den Kopf in den Nacken und beobachtete die in den dunklen Himmel hinaufwirbelnden Funken.
Diese Nacht würde allen für immer unvergeßlich bleiben.
»Gelber Fels, bring die Wolfsfrauen her. Stell sie ins Licht, damit alle sie sehen können. Sie sollen im Mittelpunkt des Tanzkreises stehen.« Weiße Esche ist nicht da!
Bald, versprachen die Stimmen in seinem Kopf. Noch in dieser Nacht wirst du sie besitzen. Bald. Falls deine Macht stark genug ist wird sie bald die deine sein.
Am Waldrand tauchten zwei Krieger auf, die eine sich sträubende Gefangene hinter sich herzerrten.
Noch eine Frau für den Stamm der Gebrochenen Steine. Ob sie wohl die Bedürfnisse seiner Krieger zufriedenstellend erfüllt hatte? Er blickte zu Bleicher Rabe hinüber. Keine Gefangene würde einen Mann jemals so beglücken können wie Bleicher Rabe ihn.
Tapferer Mann legte ihr den Arm um die Schultern und wandte seinen Blick wieder dem Feuer zu, dessen Flammen funkenstiebend hoch hinauf in die Nacht schössen.
Wo ist Weiße Esche?
Die Stimmen in seinem Kopf seufzten besänftigend. Noch heute nacht gehört sie dir. Aber wir warnen dich… nimm dich in acht! Nimm dich in acht vor dem Eingreifen der Macht!
Lachend
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