Vorzeitsaga 03 - Das Volk der Erde
in den Herzen der Angehörigen seines Stammes für ihn schlug. Nun lag er neben der Grube, in der er seine letzte Ruhe finden sollte.
Auf dem Weg vom Lager hierher hatten sie das Lied der Trauer gesungen. Schilfrohr, Riedgras, Schwarze Hand und Anmutiger Fraus Ehemann, Große Weide, trugen die Leiche auf den Schultern.
Hinter ihnen gingen Tannenzapfen, Rittersporn und Rosenbusch mit den Kindern, ihnen folgten Kranker Bauchs Tanten mit ihren Kindern.
Rittersporn hatte bestimmt, wo Warmes Feuer begraben wurde: auf dem windgepeitschten Kamm einer Sanddüne, die über das Tal auf den Green Mountain blickte. Der Geist von Warmes Feuer würde eine schöne Aussicht auf das Tal des Coldwater River haben, wo in Flußnähe die Beifußsträucher üppigem Gras wichen. Die Düne erhob sich hinter dem verwitterten Granitfelsen, der das Rundfelsen-Lager vor den vorherrschenden Winden schützte. In den Dünen nährten Phlox und Ampfer, Beifuß und Rosengewächse Warmes Feuers Geist. Es gab schlechtere Plätze für ein Grab zweifellos hatte Rittersporn aber auch nach einer Stelle gesucht, an der das Graben nicht so mühsam war. Selbst hartgefrorene Sanddünen ließen sich leicht aushöhlen.
Kranker Bauch wartete etwas abseits im Hintergrund der Trauernden. Plage stand mit gespitzten Ohren neben ihm, der Wind zauste sein schwarzweißes Fell. Obwohl Rittersporn den Hund mit einem vernichtenden Blick bedacht hatte, brachte es Kranker Bauch nicht übers Herz, ihn ins Lager zurückzuschicken.
Der stechende Schmerz in seinen Eingeweiden wuchs ins Unerträgliche, als Riedgras und Große Weide den Leichnam von Warmes Feuer in die flache Grube legten. Sie mußten die Beine von Warmes Feuer bis an seine Brust heranziehen und den Körper krümmen, damit er hineinpaßte.
Auf Knolles runden Backen hinterließen die Tränen, die ihm langsam vom Kinn tropften, schmutzige Streifen. Bei diesem Anblick konnte auch Kranker Bauch die Tränen nicht mehr zurückhalten.
Schwarze Hand sang ein Geisterlied zur Erdenmutter, in dem er sie inständig anflehte, Warmes Feuers Seele aufzunehmen.
Mit festem Griff umklammerte Rosenbusch Lupines Hand. Sie schien zu fürchten, auch das kleine Mädchen könne ihr plötzlich genommen werden. Die erst fünf Jahre alte Lupine verstand kaum, was geschah. Aus großen braunen Augen, einen Finger in den Mund gesteckt, beobachtete sie das Geschehen. Der Wind spielte mit den Fransen ihres Kleides aus Antilopenleder und ließ sie um ihre mageren braunen Beine flattern.
Rittersporn stand neben Schwarze Hand. Mit glänzenden Augen starrte sie auf die Leiche, als erinnere sie sich an irgend etwas lange Zurückliegendes und fast Vergessenes. Vor dem Hintergrund der Schneeverwehungen sah ihre gebeugte Silhouette wie ein Kranich aus, der sich über das Flachwasser beugt, bereit, die blitzschnell vorbeischießenden Elritzen aufzuspießen. Die anderen drängten sich dicht aneinander. Kummervolle Blicke wechselten von Rosenbusch zu Schwarze Hand und zu dem Leichnam in der Grube.
Kranker Bauch wandte sich ab. Die anderen begannen in einem anschwellenden Gesang ein Lied anzustimmen. Sie erinnerten in diesem Lied daran, daß sie stets gut zu Warmes Feuers Seele gewesen waren und er keinen Grund habe, zurückzukommen und sie als Geist zu verfolgen. Anschließend übergaben sie den Körper lobpreisend der Erde.
Rittersporn hob die Hände, und der Gesang verstummte. »Erster Mann! Erdenmutter! Erhört uns!
Heute geben wir den Körper von Warmes Feuer an euch zurück. Nehmt die Kraft dieses Körpers. Laßt die Pflanzen sich von seinem Fleisch nähren. Laßt das Gras hier saftig sprießen, damit Antilopen und Büffel weiden können. Nehmt seinen Geist und gewährt ihm einen besonderen Platz, wo der Gänsefuß grün und reich mit Samen wachsen wird.
Erdenmutter, von dir nehmen wir deine großzügigen Gaben. Zu dir kehren wir eines Tages zurück.
Erster Mann, wie du uns gegeben hast, so geben wir an dich zurück. Nimm Warmes Feuer. Er ist ein guter Mann, ein starker Mann, vor seiner Zeit zu dir zurückgekehrt. Mit dem Geschenk seines Körpers und seiner Seele bitten wir dich, unser Flehen um günstiges Wetter, üppige Pflanzen und viele Büffel, Wapitis und Antilopen zu erhören. Wir, dein Volk, ehren dich für das, was du uns gegeben hast.« Bei diesen Worten bückte sich die Stammesälteste und nahm eine Handvoll kalten Sand. Sie trat vor und streute ihn auf Warmes Feuers Brust.
Knolle schrie auf, klammerte sich an Rosenbuschs
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