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Vorzeitsaga 03 - Das Volk der Erde

Vorzeitsaga 03 - Das Volk der Erde

Titel: Vorzeitsaga 03 - Das Volk der Erde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gear & Gear
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dich darüber nie gewundert? Sie scheint unverwundbar zu sein als bestünde ihre Seele aus Stein. Aber wie sieht es in ihrem Innern tatsächlich aus? Warum ist sie so geworden? Aus Angst? Vielleicht aus Angst vor irgendeiner Schwäche ihrer Seele, die Schande über sie bringen würde, falls jemand dahinterkäme: Rosenbusch warf ihm einen ungläubigen Blick zu. »Ich nehme an, ihre Stärke entspricht ihrem Charakter. Vielleicht liegt sie einfach in ihrer Natur so wie ein Dachs eben ein Dachs ist. Es liegt in der Natur des Dachses, sich wie ein Dachs zu verhalten und nicht wie ein Kojote.«
    Kranker Bauch schürzte die Lippen. »Ich glaube, bei Menschen ist das anders. In unserer Natur liegt es, Menschen zu sein wie Dachse eben Dachse sein müssen. Aber warum handeln Menschen so, wie sie es tun? Ich glaube, etwas in ihrer Seele ist anders. Du beobachtest Vögel, Kojoten und Antilopen und siehst, die Tiere streiten und fallen offen übereinander her. Aber Menschen gehen listiger vor, wenn sie miteinander in Streit geraten. Mir kommt es vor, als wollten sie die Seele des anderen verwunden. Bei ihren Auseinandersetzungen geht es nicht um lebenswichtige Nahrung.«
    Rosenbusch seufzte entnervt und warf die Arme in die Luft. »Kein Wunder, daß Goldener Flachs dich rausgeschmissen hat! Was ist das für ein verrücktes Gerede? Menschen sind, wie sie sind.« »Nein, du …«
    »Hör zu. Ich will das nicht hören. Ich habe keine Zeit, mir den Kopf über deine Narreteien zu zerbrechen. Mein Mann ist tot. Ich muß meine Kinder satt bekommen und mich auf die Große Versammlung vorbereiten. Großmutter will mich bestimmt verheiraten. Am besten denke ich schon mal darüber nach, wen ich heiraten will und wen nicht.«
    »Stört es dich denn nicht, daß du wieder heiraten mußt, bevor du auch nur die Zeit gehabt hast, dich mit…«
    »Nein!« Zornig funkelte sie ihn an. Ihr Unterkiefer bebte kaum wahrnehmbar. »Ich muß meine Pflicht gegenüber dieser Familie erfüllen. Dieses Lager und alles, was damit zusammenhängt, fällt eines Tages in meinen Verantwortungsbereich. Das Wachstum der Wurzeln, des Grases, der Pflanzen, die Jagdgebiete, alles, was unsere Nahrung betrifft, untersteht eines Tages meiner Planung und Umsicht.
    Ich muß die Rituale lernen, muß wissen, wie man die Geister glücklich macht und versöhnlich stimmt, damit sie uns nicht im Stich lassen. Ich spreche von deinem Auskommen, deinem Lebensunterhalt, denn ich muß auch dich ernähren. Das alles schaffe ich nur, wenn ich einen Mann habe, der auf die Jagd geht, der mir bei meinen Pflichten wie dem Reparieren der Hütten und der Herstellung von Tierfallen helfen kann. Das sind Tatsachen, die ich nicht einfach außer acht lassen kann.«
    »Ich weiß.« Er wies sich selbst zurecht und wich ihrem Blick aus. »Verzeih, daß ich die Sprache darauf gebracht habe.« »Tu mir einen Gefallen.«
    Er sah zu ihr hinüber und bemerkte die Aufregung in ihren Augen. »Was?«
    »Suche meinen Sohn. Er ist spät dran zum Abendessen. Wenn er nicht ißt, siecht er dahin wie sein Vater.«
    »Vielleicht hat er keinen Appetit, weil…«
    »Verflucht seist du! Ich will nicht darüber reden. Ständig suchst du für alles eine Erklärung! Du sollst nur hinausgehen und deinen Neffen suchen. Ich mache mir Sorgen um ihn.«
    Rasch warf sich Kranker Bauch ein Hirschfell über die Schultern und schlüpfte hinaus in die Nacht.
    Vor der Hütte brauchten seine Augen einen Moment, um sich an die Dunkelheit zu gewöhnen. Die Felsen hoben sich nur undeutlich von dem schwachen, grauen Licht am westlichen Horizont ab. Eine Eule rief klagend in die Nacht. Plage hob den Kopf, gähnte, stand auf und streckte sich. Glücklich wedelte er mit dem Schwanz, trottete heran und stieß auffordernd mit der Schnauze an Kranker Bauchs Bein.
    Es war ein langer Winter gewesen, schwer für jeden von ihnen. Und mit dem Tod von Warmes Feuer war für Kranker Bauch auch der letzte Hoffnungsschimmer erloschen. Er achtete nicht weiter auf Plage, sondern ließ die Atmosphäre des Lagers auf sich wirken. Aus der Ferne ertönte der schaurige Chor heulender Kojoten.
    Die Gegenwart von Warmes Feuer durchdrang die Luft. Es war, als ob sein Geist noch über dem Feuerloch in der Mitte des Lagers schweben und die Geschichte von einer erfolgreichen Büffeljagd erzählen würde. Dort drüben bei den Mahlsteinen, wo die Frauen Reisgrassamen zum Trocknen ausgelegt hatten, um sie später zu Brei zu mahlen, sah er in Gedanken Warmes Feuer im

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