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Vorzeitsaga 05 - Das Volk an der Küste

Vorzeitsaga 05 - Das Volk an der Küste

Titel: Vorzeitsaga 05 - Das Volk an der Küste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathleen O'Neal Gear , W. Michael Gear
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spät ist und jeder, an dem dir etwas liegt, tot am Boden liegt.«
    Er versuchte, sich aufzusetzen, fiel jedoch heftig atmend und vor Anstrengung zitternd wieder auf die Felle zurück. Das Innere der Hütte verschwamm vor seinen Augen, und er sah nur noch wie durch einen Nebelschleier ein buntes Gemisch von Farben. Ihm war übel.
    Sonnenjäger war vor fünfundzwanzig Jahren hier in den Bergen im Strauchnuß-Dorf geboren worden.
    Er kannte und liebte jeden einzelnen Menschen im Dorf. Wie viele von ihnen waren gestorben, seit er krank geworden war? Gute Feders Zelt schmiegte sich westlich des Dorfes unterhalb der anderen Zelte an den Hang. Er konnte das Stöhnen und die Schreie der Kranken hören.
    »Heilige Geister, was ist das? Wie …«
    Auf dem gefrorenen Boden oberhalb des Zeltes erklang das Knirschen von Schritten. Sie waren langsam und überlegt, als ob jeder Schritt große Sorgfalt erforderte.
    »Gute Feder?« rief er wieder.
    »Ja, ich bin's.«
    Sie schob ihren Stock durch den Zelteingang, bevor sie selber hereinkroch. Schnee überzog den Pelz ihres schweren Bisonmantels und glitzerte in den grauen Haarsträhnen, die sich aus ihrem kurzen Zopf gelöst hatten. In ihrem mageren, kantigen Gesicht war jeder Knochen zu sehen, und ihre schlaffe, faltige Haut hatte die Farbe von Walnußöl.
    Sonnenjäger schloß einen Moment die Augen.
    Gute Feder lehnte ihren Stock neben den Eingang, nahm den Türvorhang vom Haken und ließ ihn nach unten fallen, so daß er das Zelt verschloß. »Willst du dich umbringen? Winterjunge ist noch immer auf den Beinen und sucht Seelen, die er fressen kann.«
    Sie kniete sich nieder und bedeckte Sonnenjäger wieder mit Fellen. Dann ging sie in die Mitte des Zeltes, zog ihren Mantel aus und legte ihn zum Trocknen neben das Feuer. Ihre dürren Arme ragten aus den Ärmeln ihres Hirschlederkleides hervor. Mit dem Fuß stieß sie einen Holzklotz näher zum Feuer und setzte sich darauf. Der mit Perlen verzierte Saum ihres Kleides breitete sich fächerförmig um ihre Füße aus. Sie hielt ihre zitternden Hände über die Flammen. »Wenn mir wieder warm ist, mache ich die Waschbärensuppe heiß, die wir zum Frühstück hatten.«
    Sonnenjäger befeuchtete seine aufgesprungenen Lippen mit der Zunge. »Sag mir … ich muß es wissen.
    Was ist denn los?«
    »Es wird dich nur beunruhigen und dich Kraft kosten …«
    »Sag's mir!«
    Gute Feder stieß einen Seufzer aus. »Feuersteinteich ist heute gestorben. Jeder im Dorf macht sich mit der Frage verrückt, wer das nächste Oberhaupt sein soll.«
    »Was ist mit Feuersteinteichs Sohn?«
    Mit brüchiger Stimme murmelte sie: »Kleiner Wapiti ist heute morgen gestorben.«
    Verschwommene Bilder von Kleiner Wapitis Gesicht bewegten sich schwankend vor Sonnenjägers Augen, jedes wie ein Messer in seinem Herzen. Sie hatten als Kinder zusammen gelacht und gespielt.
    »Und Kleiner Wapitis Frau?«
    »Ihr geht es gut. Zumindest bis jetzt noch. Und wir sollten besser dafür beten, daß Alter-Mann-Oben sie so erhält. Sie hat sich im ganzen Dorf um die Kranken gekümmert, für sie gekocht, sie gewaschen.«
    »Stehender Mond ist eine gute Frau.«
    Gute Feder nickte und ließ die Hände in den Schoß sinken. Sie rieb die Gelenke, als schmerzten ihre alten Knochen fürchterlich. Lange sah sie Sonnenjäger prüfend an. Das Licht des Feuers ließ ihre Falten stärker hervortreten, so daß sie tausend Sommer alt schien. »Die Leute vermissen dich«, sagte sie freundlich. »Jeder hat nach dir gefragt. Sie singen Tag und Nacht und beten, daß die bösen Geister dich loslassen. Die Leute brauchen dich. Sie denken, daß du ein besserer Heiler bist als ich.«
    Er lächelte schwach. »Dann sind sie alle dumm.«
    »Alle lieben dich sehr, Sonnenjäger. Wenn du plötzlich stirbst, werden sie dir niemals vergeben.«
    »Es geht mir besser, Gute Feder, ich fühle mich stärker, wirklich.«
    »Du hast sehr hohes Fieber, und die bösen Geister haben dich nun schon seit drei Tagen in den Händen. Wenn wir das Fieber heute nacht nicht wegbeten können, furchte ich für dich.«
    »Nein, nein«, beruhigte er sie, »so schlimm ist es nicht. Es ist nur… mir ist so k-kalt, Gute Feder.«
    Er schüttelte sich und klapperte mit den Zähnen. Mit schwachen Händen zog er die Felle dichter um seinen Hals. »Gibt es keine anderen Felle mehr?«
    Gute Feder stand auf und ging zu einem Stapel zusammengelegter Häute im hinteren Teil des Zeltes.
    Sie brachte sie herbei, legte sie über Sonnenjäger und

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