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Vorzeitsaga 05 - Das Volk an der Küste

Vorzeitsaga 05 - Das Volk an der Küste

Titel: Vorzeitsaga 05 - Das Volk an der Küste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathleen O'Neal Gear , W. Michael Gear
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Gesichtern, Stupsnasen und eulengroßen Augen verblüffend ähnlich.
    Jeder trug einen Atlatl und hatte einen Speerköcher über die rechte Schulter geworfen. Auf ihren Rücken hingen kleine Bündel.
    Als der Pfad nach rechts abbog und sie zwischen den dicken Kiefern- und Tannenstämmen hindurchblicken konnten, sahen sie in der Ferne, nur ein paar Tagesmärsche entfernt, den blauen Körper von Mutter Ozean, ausgestreckt in stiller Pracht. Das funkelnde Wasser schien mit dem sich verdunkelnden Abendhimmel im Westen zu verschmelzen.
    Berufkraut stieß einen Kiefernast aus dem Weg und begann, eine Reihe von Serpentinen emporzusteigen. Er verlor die Mutter aus dem Blick. Die Rinde der Weidenbäume war von Wapitis mit ihren meißelförmigen unteren Zähnen abgefressen worden. Man konnte leicht sagen, wie hoch der Schnee gelegen hatte, wenn man von der höchsten Stelle mit abgefressener Rinde die Höhe eines Wapitis abzog. Hier hatten die Schneewehen über drei Meter hoch gereicht.
    Balsam blickte die Wand aus schattigem Grün an und fragte unsicher: »Melisse hat dir aufgetragen, Sonnenjäger auf einer Speerspitze zurückzubringen?«
    »Ja. Wenn es sein muß.«
    »Meinst du nicht, das könnte … nun, daß das ein wenig riskant ist? Ich meine, Sonnenjäger ist ein großer Träumer.«
    »Und?«
    »Was ist, wenn Sonnenjäger nicht mit uns zurückkommen will?«
    »Dann steche ich meinen Speer in seinen Rücken und zwinge ihn dazu, genau wie Großvater es gesagt hat.«
    »Wenn Sonnenjäger dich nicht vorher tötet oder dich in eine Kaninchenlaus oder so etwas verwandelt.«
    Berufkraut blickte sich finster um, und als Balsam lächelte, sagte er:
    »Du kannst nur hoffen, daß er das nicht tut. Denn sonst mußt du Sonnenjäger alleine zurückbringen.«
    Balsams Lächeln erlosch. Schweigend mühten sie sich die restlichen Serpentinen hinauf, bis sie zu einer Stelle kamen, wo der Pfad wieder flacher wurde und sich genau ostwärts über eine Wiese schlängelte.
    Eine riesige, rosafarbene Granitklippe ragte am nördlichen Rand der Wiese in den Himmel. Sie glühte in dem pastellfarbenen Abendlicht, in scharfem Gegensatz zu den Flecken schmutzigen Schnees, die an schattigen Stellen der Wiese übriggeblieben waren. Über Jahrtausende hatten heftiger Wind und Sturm den Fels verwittern lassen, und ein Geröllberg hatte sich an seinem Fuß gebildet. Hoch oben auf dem Grat lagen große Steinbrocken in gefährlich wirkenden Positionen. Etwa vierzehn Meter über der Wiese bildete die Traum-Höhle ein dunkles Loch in der unteren Hälfte der Klippe. Wie eine Zunge ragte knapp über dem Geröllberg, am Eingang der Höhle, ein breiter, weißer Felsvorsprung. Quer darüber schnitt ein Wildwechsel durch das frische, junge Gras, wand sich über den Geröllhang nach unten und traf in der Wiese auf einen anderen Pfad.
    Wie eine leere Augenhöhle wirkte die Traum-Höhle, und allein ihr Anblick jagte einen Schauer über Berufkrauts Haut. Sie konnten sie nicht umgehen. Der Pfad zum Strauchnuß-Dorf wurde hier, wo er um die Klippe herumführte, so eng, daß er fast schon nicht mehr da war. Klebkraut behauptete, daß hier in jedem Spalt böse Geister nur darauf lauerten, sich auf den ersten vorbeikommenden warmen Körper zu stürzen und ihn aufzufressen.
    Berufkraut verbarg sich hinter einer hohen Tanne und betrachtete die Wiese genau. An der Grenze zwischen Wald und Wiese lag noch immer ein letzter Rest von verkrustetem Schnee, über den zierliche Mäusespuren liefen. Dennoch suchte er jeden Baum nach einem aufzuckenden Ohr oder einem vorbeihuschenden Schwanz ab. Mit der Geschicklichkeit eines Wiesels schlich er sich hinter den nächsten Baum und stellte sich auf die Zehenspitzen, um das die Klippe unterhalb der Höhle umsäumende Hagebuttengebüsch genau ins Auge zu fassen. Normalerweise graste hier eine Herde von vier Hirschen, doch niemand konnte sie jagen. In seinen Geister-Träumen sprach Klebkraut mit ihnen.
    Sie berieten ihn bezüglich des Wetters und bei schwierigen Angelegenheiten.
    Berufkraut zog die Brauen zusammen. Normalerweise lag am Fuße der Klippe ein Stapel Holz.
    Während des letzten Mond-der-abfallen-den-Geweihsprossen hatte er es gesammelt. Was war damit geschehen? Klebkraut war während der gesamten Herrschaftszeit von Winterjunge nicht in der TraumHöhle gewesen.
    Plötzlich stieß Balsam keuchend hervor: »Schau! Wer ist das?« Sein Arm schoß nach oben und zeigte auf die Granitklippe.
    »Wer?« Berufkraut wirbelte herum.

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