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Vorzeitsaga 05 - Das Volk an der Küste

Vorzeitsaga 05 - Das Volk an der Küste

Titel: Vorzeitsaga 05 - Das Volk an der Küste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gear & Gear
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hinabspähte. Verängstigt schrie sie auf und versuchte, in ihrem rasenden Lauf innezuhalten, doch ihre Füße glitten auf der losen grauen Erde aus. Sie stieß von hinten gegen ihr Kalb, so daß es zur Seite geschleudert wurde und stürzte die Klippe hinab. Das Kalb taumelte von der Wucht des Stoßes. Vor Entsetzen brüllend und die dunklen Augen vor Furcht geweitet schlitterte es hinter der Kuh nach unten.
    Mit Befriedigung vernahm Turmfalke das Geräusch, mit dem die beiden Körper auf dem darunterliegenden Felsvorsprung aufschlugen.
    Turmfalke nahm den Kaninchenfellsack von ihrem Nacken und hängte ihn über einen der Äste, die aus dem Gestrüppwall hervorstaken. Wolkenmädchen begann laut zu schreien. Auf den Fußballen tastete sich Turmfalke vorsichtig Zentimeter für Zentimeter über den rutschigen Boden, um hinunterzuschauen.
    Das Kalb hatte sich beim Fall den Hals gebrochen und war sofort verendet. Doch die Kuh lebte noch.
    Sie schlug mitleiderregend mit den Vorderbeinen auf den Felsen und versuchte, die gebrochenen Hinterbeine hochzuzwingen. Als sie Turmfalke sah, stöhnte sie verzweifelt auf und quälte sich auf drei Beinen hoch, doch sie fiel gleich wieder um und schlug mit den Beinen in die Luft.
    »Vergib mir, Mutter«, sagte Turmfalke und zog den kräftigen Eichenknüppel aus dem Gestrüpphaufen, wo sie ihn bei Tagesanbruch versteckt hatte. Sie ging zu einer Stelle zurück, wo der Abstieg weniger gefährlich war, schob einen Wacholderstrunk beiseite und kletterte vorsichtig die Klippe hinab. Sand rieselte auf sie nieder, als sie auf den Felsvorsprung hinabsprang. Die Luft war erfüllt vom Geruch des Blutes und der Ausdünstung der Tapire.
    Die Kuh schrie und versuchte wieder hochzukommen, als Turmfalke über das tote Kalb hinwegschritt.
    Turmfalke sang das Jagdlied und hob ihre Keule. Zwölfmal mußte sie der Kuh heftig auf den Kopf schlagen, bevor diese mit verdrehten Augen zur Seite fiel. Ein Todeskrampf durchlief sie, und aus ihren Nüstern drang Blut. Noch einmal keuchte sie heiser, dann wurde sie schlaff. Winzige rote Bläschen drangen wie Schaum aus Nüstern und Maul.
    Turmfalke sank neben dem blutigen Kopf nieder und streichelte sanft das schwarze Haar, das sich so kräftig und warm anfühlte. Ein letzter Atemzug drang aus der Lunge der Kuh und wirbelte vor ihrer rüsselförmigen Nase ein paar trockene Blätter auf. »Ich hatte keine Wahl, Mutter. Gesegnet sei deine Haut zu meinem Nutzen. Du wirst meinem Baby das Leben retten. Und mir. Wir werden niemals aufhören, dein Lob zu Alter-Mann-Oben hinaufzusingen.«
    Turmfalke hockte sich hin und lehnte sich mit der Schulter gegen die Felswand, während sie ihr Bündel von der Hüfte band. Durch einen schmalen Riß im Felsen unter ihr konnte sie einen Teil des wirbelnden Flusses sehen. Ein Schwarm von krakeelenden und kreischenden, wie immer gutgelaunten Blauhähern flog auf der Suche nach ein paar vom letzten Herbst verbliebenen Samen der Pinyon-Kiefern oder nach halbreifen Wacholderbeeren von Baum zu Baum. Da Wacholderbeeren drei Jahresumläufe zum Reifen brauchten, gab es immer irgendeinen Baum, an dem Futter zu finden war.
    Der kalte Wind raschelte in den Zweigen und schabte über die abgeschliffenen Sandsteinschichten.
    Die Goldastern hatten begonnen, Blätter anzusetzen. Bald würde das Winterlieb blühen.
    Hier in der Sonne war es angenehm, alle Gedanken aus dem Kopf zu verbannen und nur noch das warme Tapirfell unter ihren schwieligen Fingern zu spüren. Wenn sie doch immer so bleiben könnte, die warme Sonne auf ihrer Haut fühlen und wissen, daß auf ihren hungrigen Magen frisches Fleisch wartete.
    Doch wie der Schatten von Winterjunge stahl sich Kälte in ihr Herz. Sie konnte Stechapfels Gegenwart spüren, konnte vor ihren inneren Augen sehen, wie er auf eine ihrer Spuren hinabblickte und sich bückte, um mit dem Finger auf dem regendurchweichten Boden ihr Alter zu prüfen.
    »Es gibt keine Rast für dich, Turmfalke. Nicht, bis du eine Zufluchtsstätte gefunden hast und vielleicht nicht einmal dann.«
    Wolkenmädchen hatte sich beruhigt. Ihr Geschrei war einem fast unhörbaren Wimmern gewichen.
    Turmfalke kletterte über den Felsvorsprung zurück und nahm den Tragesack mit ihrer Tochter vom Gestrüppwall, wo sie ihn zurückgelassen hatte. Dann kletterte sie wieder zu den Tapiren hinab.
    »Du sollst hier in der Sonne neben mir sitzen, meine Tochter. Du sollst die süße Fülle des Tapirbluts riechen. Heute nacht sind wir beide satt und

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