Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Vorzeitsaga 05 - Das Volk an der Küste

Vorzeitsaga 05 - Das Volk an der Küste

Titel: Vorzeitsaga 05 - Das Volk an der Küste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gear & Gear
Vom Netzwerk:
gesehen, ist ein herzzerreißend schöner Anblick.«
    Der Mann schloß seine ewigen Augen und lächelte. Die Worte waren wie Balsam auf seiner wunden Seele.
    »Komm, Junge«, sagte er. »Komm zum Land der Toten zurück. Du mußt noch mehr lernen, doch ich denke, es wird Zeit, daß du als lebendiger Träumer aus Fleisch und Blut zur Welt kommst. Vielleicht kannst du deiner Mutter helfen und schließlich auch der Welt.«
    Milan, der als einziger unter den Brüdern seiner Aufgabe treu geblieben war, lag, mit einer Hand Atlatl und Speere umklammernd, ausgestreckt auf dem Bauch und beobachtete, wie Turmfalke über den Pfad zum Strand hinabschritt. Neben ihr humpelte mit einem leichten Bündel auf den Schultern Sonnenjäger, und hinter ihnen folgte Helfer, der ein mit Felldecken beladenes Schleppgestell zog.
    Milan glitt die Kante einer Erhebung entlang und achtete darauf, daß das Gras ihn verdeckt hielt, falls eines seiner Opfer aufschauen sollte.
    Sonnenjäger!
    Milan schüttelte den Kopf. Zuviel war geschehen, als daß er alles hätte verstehen können, aber eine Tatsache ließ seine Seele nicht los. Turmfalke trug den Atlatl seines jüngsten Bruders. Selbst von dort, wo er lag, konnte er ihn von ihrer Hüfte herabhängen sehen.
    Er war dem Paar auf seiner Wanderung nachgeschlichen und hatte auf eine Gelegenheit gewartet, einen Speer in Turmfalkes Körper zu treiben, aber diese Gelegenheit hatte sich nie geboten. Die beiden klebten aneinander wie aus einem Wapitihuf gekochter Leim.
    Daher mußte Milan zuerst Sonnenjäger töten, denn wenn er dies nicht tat, würde der Träumer Rache nehmen - und Milan, der sich nur schwer dazu durchringen konnte, einen Träumer umzubringen, zitterte vor Furcht bei dem Gedanken an einen Träumer, der ihn zu töten versuchte.
    Sie gingen unten so dicht vorbei, daß er ihre Stimmen hören konnte. Jetzt gilt's!
    »Wird es dort Tannen geben, Sonnenjäger?« fragte Turmfalke und lächelte den Träumer heiter an.
    Sonnenjäger zuckte die Schultern und lachte. »Ich weiß es nicht. So weit im Norden bin ich noch nie gewesen. Ich habe gehört, daß es dort Tannen und riesige Küsten-Mammutbäume gibt, die doppelt so groß wie die hiesigen sind. Warum, Turmfalke? Sind dir die Tannen so ans Herz gewachsen?«
    Sie nickte. »Ja. Sie sind schön. Und ich mag ihren Geruch, wenn der Regen über ihnen niedergeht.«
    »Dann hoffe ich, daß es dort Tannen gibt, so viele wie möglich.« Sonnenjäger nahm Turmfalkes Hand fest in die seine. Wieder lächelte sie. Im vom Meer kommenden Wind tanzten die Strähnen ihres langen Haares.
    Milan erhob sich langsam auf die Knie, legte einen Speer in den Haken seines Atlatls ein und bewegte den Arm nach hinten.
    So würde er werfen müssen. Er mußte den Speer in Sonnenjägers Rücken schleudern, wo er hoffentlich in dessen Rückgrat eindringen würde. Wenn dann Sonnenjäger hinfiel und Turmfalke sich entsetzt über ihn beugte, wollte Milan sie mit dem zweiten Speer durchbohren. Das Baby in dem Bündel auf ihrem Rücken würde in der Nacht erfrieren.
    Nun hatte er mit dem Arm so weit wie möglich ausgeholt, die Obsidianspitze des Speers glitzerte im Sonnenlicht.
    Plötzlich fühlte Milan einen scharfen Druck im Rücken, dann einen Schmerz. Nur mit Mühe unterdrückte er einen Schrei.
    »Beweg dich nicht!« befahl eine ruhige Stimme. »Laß deine Waffen fallen.«
    Durch zusammengepreßte Zähne sagte Milan: »Wer …«
    »Tu es!«
    Milans Atlatl und Speere schlugen klappernd auf den im Gras versteckten Steinen auf. Doch der Lärm wurde vom Tosen der Brandung übertönt, und ohne etwas zu merken, gingen Sonnenjäger und Turmfalke weiter und lächelten sich zu.
    Milan blickte, in die Sonne blinzelnd, über die Schulter zurück. Hinter ihm stand Berufkraut und drückte ihm den Speer ins Kreuz. »Wirst du mich töten, Junge?«
    Berufkraut verzog das Gesicht und schüttelte langsam den Kopf. »Ich muß zugeben, daß du mich in Versuchung führst, Milan. Der Otter-Klan betrachtet genau wie dein Klan einen Jungen erst als Mann, wenn er ein Mammut oder einen Mann getötet hat. Vielleicht habe ich ein Mammut getötet. Ohne jeden Zweifel könnte ich dich töten. Aber diese Ehre ist einen Krieg nicht wert, Milan.«
    »Dann wirst du dein Leben lang ein Junge bleiben. Bist du ein Feigling?« Sobald er es gesagt hatte, bedauerte Milan seine Worte. Kein Feigling würde jemals auf einen Hexer einschlagen, wie Berufkraut es getan hatte. Der Junge war mutig.
    »Von mir aus kannst du

Weitere Kostenlose Bücher