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Vorzeitsaga 07 - Das Volk der Blitze

Vorzeitsaga 07 - Das Volk der Blitze

Titel: Vorzeitsaga 07 - Das Volk der Blitze Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gear & Gear
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Tauchvogel wandte sich wieder Kupferkopf zu, der etwas von seinem Gürtel losband. Der Mann berührte den Gegenstand ehrfürchtig, bevor er ihn Tauchvogel reichte. Es war eine Hirschbeinahle mit abgebrochener Spitze. Tauchvogel nahm sie und drehte sie in der Hand … Dann stockte ihm der Atem. Auf der Rückseite war die persönliche Kennmarke des Besitzers in den Knochen geschnitzt - drei zusammenstoßende Schrägbalken und ein großes X: das Kennzeichen von Muschelweiß. Wenn er sich konzentrierte, könnte er sie darin spüren, in der Ahle lebte noch ein Teil von ihr. Sie hatte offenbar geistige Kraft hineingeatmet, als sie die Ahle angefertigt hatte. Tauchvogels Finger schlössen sich fest um das Werkzeug, und er drückte es an die Brust. »Ich dachte mir, es könnte deine Schmerzen lindern«, sagte Kupferkopf.
    »Was kümmern dich meine Schmerzen?« Die kleinen Flamingozungenmuscheln an Kupferkopfs Gürtel klingelten, als er sich auf den weißen Sand setzte und die Finger um die angezogenen Knie verschränkte. Eine lange Silbersträhne hatte sich aus seinem Zopf gelöst und wehte ihm übers Gesicht. »Schmerzen stören mich. Haben mich immer gestört.«
    Tauchvogel strich mit dem Daumen zärtlich über die Kennmarke von Muschelweiß; er liebkoste das Gerät, das auch sie berührt hatte.
    »Tauchvogel«, sagte Kupferkopf. »Ich bin gekommen, um mit dir über einen Traum zu sprechen, den ich gehabt habe. Über einen sehr sonderbaren Traum.« »Was für ein Traum?«
    »Oh, ich habe ihn schon oft gehabt, aber diesen Teil davon hatte ich noch nie gesehen, das heißt, erst letzte Nacht habe ich erfahren, dass du an meiner Seite sein wirst, wenn die Welt untergeht.«
    »Wenn die Welt untergeht?« fragte Tauchvogel. Die Stimme von Kupferkopf war wie ein Nerzpelz, der gegen die Seele reibt, weich, beruhigend und dennoch Funken sprühend. »Wovon redest du? Ist es der Traum, den du schon vor zwei Sommern hattest? Der mit den Blitzvögeln -«
    »Ich begreife nicht, wieso du dabei bist«, unterbrach ihn Kupferkopf. »Begreifst du's? Das ist ganz merkwürdig. Du müsstest eigentlich zu mir gestoßen sein, als einer meiner Anhänger, denn du trägst eine Tunika, wie sie hier gemacht wird, im Dorf des Stehenden Horns; sie hat eine aufgemalte blaue Zickzacklinie über der Brust.« Er zeichnete sie auf seiner eigenen Tunika nach. Am Himmel hinter ihm segelten die Möwen auf dem launischen Wind herab oder schössen in die Höhe.
    »Ich würde niemals einer deiner Anhänger sein, Kupferkopf!«
    Kupferkopf legte den Kopf zurück und betrachtete die schnell dahinziehenden Wolken. »Der Traum beginnt wie der heutige Tag. Stürmisch. Kalt. Wir stehen da drüben.« Er deutete auf einen alten Stamm an der Baumgrenze, der sich im Winkel zum Ozean neigte. Seine Stimme sank zu einem schmerzerfüllten Murmeln herab. »Du und ich, wir sehen den Sturmbläser kommen. Mit großen Schritten kommt er übers Wasser und reißt die Meerfrau mit bloßen Händen in Stücke. Er ist riesig, Tauchvogel.« Er schloss die Augen.
    »Regenwände fallen herab, Wolkenbrüche, Bäume knicken und fliegen um uns herum durch die Luft, die Menschen schreien, rennen um ihr Leben, und dann sehe ich sie!« Tauchvogel fragte, ganz im Bann seiner tiefen Stimme:
    »Wen?«
    »Die Blitzvögel.« Kupferkopf wandte sich nach Osten. »Sie kommen, um mich zu holen, sie schießen durch die Wolken wie blauweiße Flammen.« Er streckte eine Hand aus, als wollte er nach ihnen greifen. »Und dann?«
    Kupferkopf zog die Hand zurück, zur Faust geballt legte er sie auf sein Knie. »Dann nichts mehr. Die Welt stirbt.«
    Tauchvogel liefen Schauer über den Rücken. Er hob die Ahle hoch und presste das Kennzeichen von Muschelweiß gegen seine Wange. Der Knochen fühlte sich glatt und warm an. Das schöne Gesicht von Kupferkopf war zusammengefallen, die aufgerissenen Augen starrten ins Leere.
    »Der Tod der Welt ist notwendig, Tauchvogel«, sagte er. »Das Übel ist in jede lebende Seele eingedrungen. Wie ein Krebs ist es in Bäume und Tiere gekrochen, selbst in die winzigen Schnecken auf dem Waldboden. Siehst du das nicht? Der Sturmbläser ist unser Erlöser. Die Vernichtung ist eine Reinigung, eine notwendige Läuterung.« Langsam, mit einer ruckhaften Bewegung nahm er Sand mit seiner rechten Hand auf und ließ die Körnchen durch die Finger rinnen. Der Wind blies sie fort.
    Tauchvogel fragte: »Warum willst du die Welt sterben sehen? Es ist schön auf der Welt.«
    »Ich will es nicht,

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