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Vorzeitsaga 08 - Das Volk der Stille

Vorzeitsaga 08 - Das Volk der Stille

Titel: Vorzeitsaga 08 - Das Volk der Stille Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathleen O'Neal Gear , W. Michael Gear
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gewaltig, um für Menschen sichtbar zu sein, wiewohl hier und da ein Schamane behauptete, er habe grüne Äste im Dunst oberhalb der zerklüfteten Gipfel durch die Wolken schwanken sehen. Kreuzdorn trottete an den brachliegenden Feldern vorbei und dachte an die süßen Stimmen der Götter, die seine Seele aufgewühlt hatten. Wie immer seine Reise auch enden mochte - sie würde voller Wunder sein.

4. K APITEL
    Maisfaser kniete am Nordende der Plaza mit zwei Mahlsteinplatten vor sich, eine gröber, eine feiner. Eine leere schwarz-weiße Schale und ein einfacher Tontopf, mit rotem Mais gefüllt, standen links von ihr. Länger als eine Zeithand war sie schon hier, hatte aber offenbar noch nicht viel vollbracht, obwohl Mehl ihre Hände und den Rock ihres braunen Kleides befleckte. So wie sie es einschätzte, hatte sie mehr Mehl auf sich selbst als auf ihren Mahlsteinen. Fünf Schritte weiter stand ein Topf schräg auf der heißen Glut ihrer Feuergrube und erinnerte sie an ihre Pflichten. Sie beugte sich vor und zermalmte die Körner einer Handvoll Mais mit dem spitzen Ende ihres Handsteins. Die Morgensonne schimmerte golden über der welligen Hügellandschaft rings um Lanzenblattdorf und beleuchtete die grünen Yucca-Halme, die die Hänge dicht bedeckten. Sie schien auf die hochgekippten Blöcke braunen Sandsteins, die sich über das Flickwerk leerer Mais-, Kürbis- und Bohnenfelder auf allen Flächen rings um das Dorf erhoben. Wogende orangefarbene Wolken brannten Schneisen in den durchscheinenden Osthimmel. Die zerklüfteten Gipfel ferner Gebirge unter ihnen waren mit jungfräulichem Weiß zugedeckt, und heute schienen die Bergspitzen die Unterseite der Wolken aufzureißen. Tief unten lagen die flachen Mesas, Heimat der Grünmesa-Clans, die ihre Äcker auf den Bergkuppen hatten.
    Im Norden erhoben sich die Berge des Großen Bären, wo der Erste Bär hauste, der die hohen Granitgipfel hochgewuchtet hatte, damit sie ihm in seinem Winterschlaf als Obdach dienten. Seine Klauen hatten das Land unterhalb der Berge aufgerissen und verschlungene Hügelketten aus abgeschrägtem Fels zurückgelassen. Am Fuß dieser Hügel flössen kurzlebige Bäche, die im Frühling anschwollen und ganze Bäume in die Becken hinunterwarfen und nach winterlichen Regenstürmen kühl und klar dahinrieselten. Diese Wasserläufe brachten Leben in das Land rings ums Lanzenblattdorf.
    Vor Generationen waren verschiedene Familien des Ameisen-Clans hergezogen, um das Schwemmland und die Mesaflächen landwirtschaftlich zu nutzen. Anfangs hatten sie vier Häuser in einer Reihe gebaut, um dort die Sommer zu verbringen, in denen sie auf den Feldern arbeiteten. Die Ernteüberschüsse hatten ihnen durch den Winter geholfen; in den folgenden Jahren waren weitere Clan-Mitglieder angekommen, und auf das Dorf waren zusätzliche Wohnungen gesetzt worden. Kivas wurden in den roten Lehmboden gegraben.
    Doch trotz des fruchtbaren Schwemmlands, trotz des Wassers war das Leben nicht einfach gewesen. Die Turmbauer, Barbaren aus dem Nordwesten, überfielen die Clans des Rechten Wegs; sie töteten, stahlen Nahrungsmittel und nahmen Sklaven, die sie nach Norden trieben, wo sie auf ihren Feldern arbeiten und ihre verwahrlosten Häuser sauberhalten mußten. Manchmal kamen auch wilde Völker von den Bergen herunter, Jäger, die Felle trugen und Tiergötter verehrten. Manchmal wollten sie Handel treiben, manchmal kamen sie, um zu rauben. Danach verschwanden sie spurlos in den Bergen, wie Tiere, die sie ja auch waren.
    Nicht alle Feinde waren Fremde. Lanzenblattdorf hatte im Lauf der Jahre so manchen Krieg gegen andere Clans des Rechten Wegs ausfechten müssen. Infolgedessen war die ursprüngliche Häuserreihe immer im Hinblick auf mögliche Angriffe von außen erweitert worden. Im Verlauf des Ausbaus wurde ein zweites Geschoß auf das Dorf gesetzt, weitere Räume kamen hinzu, bis der rechteckige Komplex die Plaza von allen Seiten umgab und ein geschlossenes Schutzlager bildete. Der einzige Ausgang war eine kleine Lücke zwischen den Mauern in der Südwestecke, die man mit einem Gatter aus Kiefernstämmen abriegelte. Sofern die Bewohner frühzeitig gewarnt wurden und Zeit hatten, das Gatter zu schließen, konnten sie Angreifer in jeder Größenordnung abwehren, indem sie sich mit ihren Bogen auf den Dächern postierten.
    Aber an diesem strahlenden Wintertag dachte kein Mensch an Krieg. Die Männer waren im Morgengrauen auf die Jagd gegangen, und die meisten der jungen Frauen

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