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Vorzeitsaga 08 - Das Volk der Stille

Vorzeitsaga 08 - Das Volk der Stille

Titel: Vorzeitsaga 08 - Das Volk der Stille Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathleen O'Neal Gear , W. Michael Gear
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Morgendämmerung sah sie traurig aus, doch glühte Stolz in ihren dunklen Augen. Nur wenige Jünglinge erhielten als künftige Sänger den Segen der Ältesten, und noch weniger wurden zur Ausbildung zum heiligen Heimatlosen geschickt.
    Kreuzdorn konnte kaum glauben, daß er einer der Auserwählten war. Jeden Augenblick konnte der Traum verwehen, und er wachte wieder als der magere Junge auf, der er immer gewesen war. Seine Mutter benutzte ein geflochtenes Lederband, um seine drei Bündel zusammenzuschnüren - eines für ihn selbst, die zwei anderen für Düne, gefüllt mit Geschenken aus Anemonendorf. Kreuzdorns Atem ging schneller, als er die Bündel betrachtete. Seine Verwandten hatten ihre schönsten Dinge beigesteuert: wunderbare Flöten; zwei der berühmten rotbraunen Anemonen-Töpfe aus geschlämmtem Ton; bemalte Körbe, so dicht geflochten, daß sie wasserdicht waren; ein paar kostbare Türkis-Fetische; eine meisterhaft geschnitzte Gruppe der Großen Krieger und manches andere. Sie hatten sich bereitwillig von diesen Dingen getrennt, denn wenn Kreuzdorn ein großer Sänger würde, so glaubten sie, könnte er sie einmal zehnfach dafür belohnen.
    Und ich will ein großer Sänger werden, ich werde jede Lektion lernen, die der heilige Heimatlose mir aufgibt; ich werde jede Heilpflanze und jedes Lied auswendig lernen.
    Düne, der Heimatlose, war für seine ausgefallene Ausbildung bekannt. Kreuzdorn hatte zwei junge Sänger gekannt, die man zu Düne geschickt hatte; sie waren schon nach einem einzigen Tag vor »des heiligen Heimatlosen Wahnsinn«, wie sie es nannten, heimgelaufen. Beide jungen Männer hatten versagt; sie waren Farmer geworden. Aber Kreuzdorn würde nicht versagen.
    In ihm war eine bohrende Sehnsucht. Ja, er würde zu den Wolkenleuten sprechen, in ihrer eigenen Sprache. Er würde fähig sein, boshafte Zauberer zu erkennen und Kranke zu heilen. Er würde für sein Volk singen und tanzen, ihnen Regen und ergiebige Ernten bringen - er würde ihnen das Leben geben. Ihr heiligen Thlatsinas, ich verspreche euch, daß ich hart arbeiten werde, bitte, helft mir. Er schaute nach Süden, über das dunstige Wasser vom Fluß der Seelen, über die Linie der Sandsteinkliffs hinweg, die den südlichen Horizont versperrten. Als könnte er die fernen ThlatsinaBerge in den Himmel ragen sehen, so erblickte er mit dem Auge seines Geistes die Götter dort, wie sie mit zurückgeworfenem Kopf sprangen und sich drehten, hörte, wie ihre Stimmen sich beflügelt in die sternenbesetzte Morgendämmerung schwangen. Eine ungeheure Sehnsucht überkam ihn. Eines Tages werde ich diese Berge sehen, das gelobe ich.
    Er hatte gehört, daß die bleifarbenen Wolken sich an die höchsten Gipfel klammerten und sich mit aller Macht dort festhielten, um den Peitschenschlägen des Windjungen widerstehen zu können. So hatte der Windjunge nämlich seinen schlechten Ruf bekommen: Er verjagte die Wolken und saugte jeden Tropfen Feuchtigkeit aus dem Land, so daß Unsere Mutter Erde und Bruder Himmel verdorrten und vor Durst verschmachteten. Wenn das geschah, verlangten die Kinder der Leute des Rechten Wegs etwas zu essen, und die Eltern gerieten außer sich.
    Während des Sommers tanzten und beteten die Sänger tagelang, aber nicht nur für sich. Sie beteten für alles, was durstig war, für Tiere, Pflanzen, sogar für die trockenen Steine, die auf dem Grund der Abzugsgräben ruhten. Die Macht war überall gegenwärtig, unter den Kaktusstacheln, in Tautropfen eingeschlossen und verborgen in den Mondscheinflecken, die den Salbei mit Silber überzogen. Indem die Sänger diese Macht anriefen, konnten sie Wolken zusammenziehen und die aufschießenden Donnervögel wecken.
    Schneeberg stand auf und sah Kreuzdorn ernst an. Ihr Gesichtsausdruck war voller Liebe. »Hat dir Schwarzer Tafelberg eine Karte gezeichnet, ja?«
    »Ja, Mutter, gestern nacht. Ich weiß genau, wie ich den Heimatlosen finden kann.« Er wußte, sie wollte die Anweisungen noch einmal aus seinem Munde hören. »Ich folge dem Pfad vom Fluß hinauf bis zum höchsten Punkt, wende mich dann nach Osten, bis ich zum Turm-Weg komme. Das ist ein guter Weg, der mich nach Süden zum Canyon des Heimatlosen führt. Schwarzer Tafelberg meinte, wenn ich laufe, dann brauche ich nur vier oder fünf Tage. Das finde ich jedenfalls, mach dir keine Sorgen.« »Ich weiß, du bist ein Mann, und die Götter beschützen dich, aber es hat in diesem Winter so viele Überfälle von diesen Barbaren aus dem Norden

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