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Vorzeitsaga 08 - Das Volk der Stille

Vorzeitsaga 08 - Das Volk der Stille

Titel: Vorzeitsaga 08 - Das Volk der Stille Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathleen O'Neal Gear , W. Michael Gear
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Kleid, mit einer besinnungslosen Wut tief hinter seinen Augen. Schwalbenschwanz war in der Tat so wahnsinnig vor Zorn gewesen, daß er durchaus fähig gewesen wäre zu töten. Aber wäre er tatsächlich so listig und schlau gewesen, Schlangenhaupt und seine Familie aus dem inneren Kreis heraus zu vernichten? Trauertaube hatte fanatisch an die Prophezeiungen geglaubt und immer wieder versichert, daß Spannerraupe die Gesegnete Sonne würde - und vielleicht hatte das dem jungen Schwalbenschwanz den Gedanken eingegeben? Es wurde Kriecher eiskalt. So lange hatte er gelebt und den Jungen gemocht - und dennoch hatte er nie die geringste Ahnung gehabt, was in dessen Seele vorging.
    »Wo ist Federstein?«
    Spannerraupe winkte zur Tür hin. »In ihren alten Kammern. Ich habe ihr geholfen zu packen. Sie sprach über Nachtsonne und wie sehr sie ihr fehlte, und dann glitt sie aus dieser Welt, du weißt ja, wie sie ist. Ich habe eine Decke über sie gelegt und will in einer halben Zeithand nach ihr sehen.« »Spannerraupe, diese Neuigkeit wird Federstein sehr zu schaffen machen. Sie hat Wolkentanz geliebt, und wenn es wahr ist, daß der Sohn von Trauertaube der Mörder…« Seine Stimme klang gepreßt. »Ich glaube, Federstein hat alles über den Tod von Wolkentanz vergessen. Ich weiß nicht, wie diese Nachricht auf sie wirken wird.«
    Spannerraupe rollte die Stoffbahn wieder zusammen und band sie zu. »Du meinst, es ist besser, wenn wir das für uns behalten?«
    »Wir können ja sowieso nichts mehr daran ändern - oder?«
    Die Wangen von Spannerraupe röteten sich, und dann brannte wilde Wut in seinen Augen. »Im Augenblick nichts. Aber wenn ich jemals einen Krieg gegen die Turmbauer führen kann, dann mögen die Götter diesem Jungen beistehen.«
    Kriecher senkte den Blick auf das Durcheinander der wertvollen Steine und Kräuter. Sein Herz schlug dumpf und gleichmäßig langsam. »Ich bete aus ganzem Herzen, daß Trauertaube nicht mehr da ist, wenn es dazu kommt.«

A CHTER T AG
    Ich liege auf dem Rücken und starre empor zu den schwankenden Zweigen der Goldkiefer über mir. Die Nadeln sind lang und gebogen. Mondlicht hüllt sie ein, und sie flimmern unwirklich silbern. Durch das Filigran des Geästs scheinen die Abendleute.
    Mein Körper ist gefühllos geworden. Meine Seele schwebt dahin, kaum noch ans Fleisch gebunden. Ich glaube, ich bin bereit. Erst seit dieser Nacht fühle ich mich bereit; ich habe alles getan, was ich konnte, um mein Herz zu reinigen und zu läutern. Entweder nimmt sie meine Opfergabe jetzt an - oder nie.
    Ich weiß nur, ich muß es versuchen.
    Ich schließe die Augen und lausche dem Wind, der durch die Kiefern heult. Die Zweige knarren und ächzen. Der Duft wilder Bergblumen ist in der wohlriechenden Luft. Ich fülle meine Lungen mit dieser Luft und halte den Atem so lange an, wie ich kann, und dann atme ich ganz langsam aus. Ich bin müde, sehr müde… und ein Letztes ist noch zu tun.
    Der Traum entführte Sängerlings Seele.
    Er lief als Coyote, und seine Pfotenfüße teilten das junge Frühlingsgras und die ersten zarten Wildpflanzen. Von dieser Höhe aus sah er über eine unendliche Kette schwarzer Berge, welche die Entfernungen wie in Schichten gliederten. Jede Kette hob sich in einer etwas helleren Blaugrau-Tönung vom dunstüberzogenen Horizont ab. Hinter ihm die Ebene, von Kuppen und Tafelbergen unterbrochen. Vor ihm stachen zerklüftete Gipfel in die Bäuche der Wolkenleute. Er stieß weißen Atem aus. Als er höher kam, wurde die Luft kälter und brannte in seinen Lungen.
    Er überquerte die Höhe und lief, kiesaufwirbelnd, einen Steilhang hinunter und geduckt unter Windbrüchen hindurch. Er wand sich durchs Dickicht, übersprang einen kleinen Bach und eilte auf leisen Pfoten durch weiches grünes Gras den nächsten Hang hinauf. Er war überrascht, wie gut er im Dunkeln sehen konnte. Mäuse sausten durch das Gras, und Packratten jagten durch die Lücken zwischen felsigen Höckern. Bei ihrem Anblick und Geruch erwachte der Hunger in seinem leeren Magen.
    Er stürmte durch hohe Wildpflanzen, die seine goldene Schnauze streiften, und rannte einen Espenhain entlang. Ihre weißen Stämme schimmerten im Sternenlicht. Im dichtesten Wald sah er Augen glitzern. Er senkte die Nase und nahm die Witterung auf. Elche. Drei Tiere: zwei Kühe und ein Kalb. Sie sahen ihn vorüberlaufen und grasten dann ruhig weiter.
    Ein erster Streifen von Schwester Monds Gesicht beglänzte die leuchtenden Gipfel.

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