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Vorzeitsaga 08 - Das Volk der Stille

Vorzeitsaga 08 - Das Volk der Stille

Titel: Vorzeitsaga 08 - Das Volk der Stille Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathleen O'Neal Gear , W. Michael Gear
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Schultern legte. Nach dem Frühstück, vor über einer Zeithand, hatte Distel sich dauernd aufgeregt mit Maisfasers Kleidung und Gepäck beschäftigt und sich vergewissert, daß sie genügend Nahrung und Wasser und auch Kleidung für jedes Wetter dabei hatte. Die Einwohner vom Lanzenblattdorf sahen von den Dächern aus zu und schirmten ihre Augen gegen die Morgensonne ab. Sie waren neugierig, aber zu höflich, um sich nach dem wahren Grund für Maisfasers und Vogelkinds Abreise zu erkundigen.
    Distel band jetzt zum zweiten Mal die Schnüre an Maisfasers Bündel fest zu und verzog das Gesicht. Maisfaser wußte, daß ihre Mutter immer mit Sachen herumtändelte, wenn sie etwas zu sagen hatte, aber noch nicht wußte, wie.
    Distel trug ein rotbraunes Kleid; es war mit dem Saft reifer Feigenkakteen gefärbt worden. Eine hellbraune Decke lag auf ihren Schultern.
    »Du siehst wunderschön aus, meine Tochter«, sagte ihre Mutter. »Vergiß nicht, Hirschvogel zu sagen, daß es nur für kurze Zeit sein wird. Nur bis wir genau wissen, ob uns die Turmbauer angreifen wollen oder nicht. Wenn wir wissen, daß wir in Sicherheit sind, holen wir euch ab.« Zärtlich strich sie Maisfaser übers Haar. »Du fehlst mir jetzt schon. Ich muß dich wieder bei mir haben, so schnell wie möglich.«
    Maisfaser sah den Schmerz im Gesicht ihrer Mutter. Um ihre dunklen Augen herum waren Sorgenfalten eingegraben, und es hatte den Anschein, als würde sie gleich weinen. »Keine Angst, Mutter. Ich komme gut zurecht. Ich sollte mich jetzt auf den Weg machen. Vogelkind ist schon auf dem Pfad und wartet auf mich.«
    »Ja, ich weiß, aber…« Ihre Mutter breitete die Arme aus, wie immer, wenn sie eine wichtige Entscheidung getroffen hatte. »Einen Augenblick noch, Maisfaser.«
    Distel ging geduckt ins Haus und hängte den Vorhang über einen Zapfen. Durch die offene Tür sah Maisfaser sie zu dem großen bemalten Topf am Fuß ihres Bettes gehen. Sie setzte den Stein, der den Deckel beschwert hatte, wuchtig auf den Boden und kramte im Topf herum.
    Maisfaser schluckte. Sie hatte nie gesehen, daß dieser Topf geöffnet wurde. Seit sie denken konnte, hatten ihr die Eltern verboten, ihn auch nur zu berühren. In diesem einen Fall hatte sie gehorcht. Seltsame zischende und klopfende Laute kamen spät in der Nacht aus diesem Topf, als wäre etwas Lebendes darin gefangen - und so gefährlich offenbar, daß es nötig war, den Deckel mit einem schweren Stein zu sichern.
    Ihre Mutter holte eine gefaltete Decke heraus und drückte sie an ihr Herz, bevor sie wieder herauskam. »Maisfaser«, sagte sie, »falls dir oder Vogelkind etwas zustößt - es wird ja nichts geschehen, aber für alle Fälle -, dann möchte ich, daß du das bei dir hast. Ich hänge sehr daran.«
    Maisfaser schaute ergriffen zu, als ihre Mutter die Decke auffaltete. Polierte Türkissteine schmückten die Mittelfelder der roten, schwarzen und blauen Rauten, die in die Baumwolldecke gewebt waren. Kupferne Glöckchen klingelten an allen vier Ecken.
    »Woher kommt sie?« flüsterte sie. »Sie ist wunderschön.«
    Distel verstaute sie behutsam in Maisfasers Bündel, das sie abermals verschnürte. »Es war ein Geschenk für mich, vor vielen Sonnenkreisen.«
    Maisfaser nahm ihren Mut zusammen, bedachte vorsichtig ihre Frage und sah ihrer Mutter dann ins Gesicht. »Ein Geschenk… von meiner richtigen Mutter?«
    Die Hände von Distel verhielten über Maisfasers Bündel. Sie schluckte schwer. »Maisfaser… vergib mir. Ich habe es dir immer schon sagen wollen.«
    Jetzt hatte Maisfaser Tränen in den Augen. Dieses Geständnis traf sie wie ein Schlag. Sie konnte nicht sprechen, sie stand schweigend da, mit offenem Mund, und die Tränen rannen ihr heiß über die Wangen.
    »O Maisfaser.« Distel ließ das Bündel auf dem Boden liegen und erhob sich, um sie zu umarmen. Sie drückte Maisfaser fest an sich, küßte sie aufs Haar und flüsterte: »Ich liebe dich so sehr. Du wirst immer meine Tochter sein, selbst wenn ich nicht deine leibliche Mutter bin. Ich -« »Wer ist es?« Maisfaser schaute zu ihr auf. »Wer ist meine Mutter? Wer ist mein Vater?« Die Erregung schnürte ihr fast die Kehle zu. Sie mußte das jetzt wissen!
    Distel schüttelte den Kopf. »Ich weiß es nicht. Wirklich nicht. Ich wünschte, ich wüßte es.« Sie strich liebevoll über Maisfasers Rücken. »Wenn du zurückkommst, werde ich dir alles sagen, was ich weiß… und alles, was ich vermute. Aber bitte bedenke, warum ich es dir bis jetzt

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