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Vorzeitsaga 08 - Das Volk der Stille

Vorzeitsaga 08 - Das Volk der Stille

Titel: Vorzeitsaga 08 - Das Volk der Stille Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathleen O'Neal Gear , W. Michael Gear
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schwarz abgehoben gegen den goldenen Fackelschein. Er hatte die geballten Fäuste in die Hüften gestemmt und die Beine gespreizt, wie zum Kampf gerüstet.
    Seit Monden hatte er sich seltsam benommen, und seine plötzlichen Ausbrüche waren immer furchterregender geworden; er hatte die Kinder grundlos bestraft, besonders ihre zwei Sommer alte Tochter Wolkenspiel, was Nachtsonne erbitterte. Und beunruhigte.
    Nachtsonne hatte die Leitern zum fünften Stockwerk erklommen. Sie war aufs Dach getreten und hatte gerufen: »Krähenbart? Stimmt etwas nicht?«
    Mit dem Medizinbündel in der Hand war sie ihm entgegengelaufen. Als sie näher gekommen war, hatte Krähenbart sich umgedreht und das Zimmer betreten. Nachtsonne war ihm gefolgt, hatte ihr Bündel neben der Tür abgestellt, ihren Truthahnfeder-Umhang abgenommen und auf einen Zapfen gehängt.
    »Was stimmt diesmal nicht?« fragte sie.
    Krähenbart, in einem dünnen Nachthemd, kam langsam durchs Zimmer und stand über ihrem Bett; er starrte auf die zerwühlten rotschwarzen Decken. »Du warst mit einem meiner Krieger aus, stimmt das nicht?« fragte er mit gepreßter Stimme. »Während ich schlief, hast du -«
    »Was?« brach es aus Nachtsonne heraus. »Ich habe unten bei der Geburt der Tochter von Laufender Hirschkuh geholfen. Das weißt du, ich habe es dir gesagt.«
    »Du hast es mir gesagt«, bestätigte er spöttisch. »Ja, das hast du. Aber ich weiß es besser. Du warst bei einem meiner Krieger!«
    Mit funkelnden Augen schritt sie auf ihn zu. »Krähenbart, was ist los mit dir? Seit Monden benimmst du dich wie ein Verrückter. Du beschuldigst mich, dich zu betrügen, du schlägst deine Tochter ohne Grund -«
    »Eigentlich hätte ich dich schlagen sollen!« brüllte er und fuchtelte ihr mit beiden Fäusten vor dem Gesicht herum.
    Nachtsonne wich einen Schritt zurück. Das würde er nicht wagen. Als Ehrwürdige Mutter von Krallenstadt konnte sich sich von ihm trennen, so daß er nichts mehr besaß. »Du hast kein Recht, mein Ehemann, mich durch solche Vorwürfe zu entehren. Du bist der einzige Mann, mit dem ich jemals zusammen war. Der einzige, mit dem ich wünschte «
    »Lüg mich nicht an!« Krähenbart packte sie an den Schultern und schüttelte sie so, daß sie glaubte, er bräche ihr das Genick.
    »Hör auf! Krähenbart, hör auf! Hör auf!« schrie sie. Als er nicht aufhörte, holte Nachtsonne aus und schlug ihm mit aller Kraft, die sie aufbringen konnte, ins Gesicht.
    Er keuchte, benommen und erschreckt, und schaute auf sie herab, die Augen voller Wut und Erbitterung. »Ich töte dich, bevor ich zulasse, daß ein anderer dich bekommt. Verstehst du mich? Ich töte dich!«
    Erregt und von Angst getrieben, war Nachtsonne die Leitern hinuntergeeilt und über die westliche Plaza und hinaus in die mondbeschienene Wüste gelaufen, durch die Biegung des Canyons, an der hochragenden Wand entlang nach Osten in Richtung Kesselstadt. Schwester Mond hing direkt über ihr, durch Wolkenfetzen flimmernd wie eine flachgedrückte Silbermuschel. Ihr Schein mattierte die massiven Felsen, überglänzte die Maispflanzen, die ihre ersten Blätter zeigten, und beleuchtete Nachtsonnes Weg auf der Straße nach Kesselstadt.
    Obwohl es spät war, gab es viele Feuer in der Canyon-Sohle, die im Wind hin und her zuckten oder aufflammten.
    Nachtsonne schlug die Arme um sich. Sie hätte ihren Umhang mitnehmen sollen. Die Kälte des Frühlings biß ihr ins Fleisch.
    Der Wahn hatte im vergangenen Sommer angefangen. Auf einmal war Krähenbart ihr plötzlich gefolgt, unerwartet bei Heilbehandlungen und Geburten aufgetaucht, gerade lange genug, um sich zu überzeugen, daß sie sich tatsächlich am angekündigten Platz aufhielt. Als sie später in ihre Zimmer zurückgekehrt war, hatte er sich mit dem Rücken zu ihr gelegt, und wie sehr sie ihn auch besänftigen wollte, er weigerte sich, mit ihr darüber zu sprechen.
    Auch anderes war ihr aufgefallen. Sein Haar war schütter geworden. Immer wenn sie seine Haarbürste aus Wacholderrinde säuberte, behielt sie schwarze Strähnen in der Hand. Schlimmer war, daß er ihr mitgeteilt hatte, er könne nicht länger unter einer Decke bei ihr »sein«. Nachtsonne hatte angenommen, er komme jetzt in die Ruhephase, die Männer seines Alters zu erwarten hatten; nach einer Zeit der Unsicherheit würde er gewiß sein Gleichgewicht wiederfinden, und dann käme alles wieder in Ordnung. Sie würde ihn verwöhnen und ihn beruhigen, dann wäre er sicher bald wieder der

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