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Vorzeitsaga 09 - Das Volk des Nebels

Vorzeitsaga 09 - Das Volk des Nebels

Titel: Vorzeitsaga 09 - Das Volk des Nebels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gear & Gear
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schien niedergeschlagen und in sich zurückgezogen. Die meiste Zeit hatte sie geistesabwesend ins Feuer gestarrt und so lustlos gegessen, als wäre das Mahl ohne Geschmack.
    Weißer Otter hatte einige Male versucht, Sonnenmuschel in ein Gespräch zu ziehen, aber zwischen den Mädchen hatte sich etwas verändert. Früher waren sie enge Freundinnen gewesen, aber jetzt schien Sonnenmuschel älter geworden zu sein, eher Frau als Mädchen.
    Da Rosenknospe außer Hörweite war, fragte Neuntöter: »Was hast du heute herausgefunden?«
    »Oh, eine ganze Menge.« Jaguar rieb sich mit seiner ledernen Hand das Gesicht. »Sag mal, Häuptling, welches ist die Strafe für einen jungen Mann, der einem Mädchen beiwohnt und dabei ertappt wird?«
    Neuntöter zuckte die Achseln. »Das hängt davon ab, wer das Mädchen ist, wie alt und von welchem Clan. Und natürlich davon, wer der Mann ist.«
    Jaguar nahm sich etwas Tabak aus dem kleinen Tontopf neben sich. Er stopfte die Blätter in den Kopf seiner alten, fleckigen Tonpfeife, sah Sonnenmuschel an und deutete auf das Feuer. Neuntöter war überrascht zu sehen, dass sie ein paar Augenblicke brauchte, bis sie bemerkte, dass sie gemeint war.
    Sie sprang auf, erschrocken und schuldbewusst, und zündete mit einem Zweig die Pfeife des Ältesten an.
    Erst nachdem Jaguar eine blaue Rauchwolke ausgestoßen hatte, sagte er leise: »Nehmen wir an, die junge Frau war Rote Schlinge.«
    Neuntöter holte tief Luft. »Die Enkeltochter der Weroansqua?« Er schüttelte den Kopf und dachte an den Zorn, der die Augen der Weroansqua entflammen würde. »Das wäre entsetzlich, Ältester. Nur ein Narr würde eine alte Bärin erzürnen, die so leidenschaftlich auf ihre Jungen achtet wie die Weroansqua.«
    »Ja, gut. Aber angenommen, der junge Mann wäre Wilder Fuchs, der Sohn von Schwarzer Dolch. Das wäre doch sicher nicht so verwerflich wie … sagen wir mal… Weidenstumpf?«
    Neuntöter vergaß die Pfeife in seiner Hand. Jaguar las in seinem Gesicht, wie entgeistert er war.
    »Wurde sie gezwungen oder willigte sie ein?«
    »Nach meinen Quellen wurde sie nicht gezwungen.«
    »Gut. Wäre das nämlich der Fall, dann könntest nicht einmal du der wutschnaubenden Weroansqua Einhalt gebieten. Oh, der Clan von Schwarzer Dorn könnte ihr mit einem angemessenen Tribut vielleicht etwas von ihrem Zorn abkaufen. Wilder Fuchs würde natürlich trotzdem bestraft werden, käme aber wahrscheinlich mit dem Leben davon. Wenn aber jemand wie Weidenstumpf sie vergewaltigt hätte, dann würde ihn Jagender Falke sicherlich zu Tode foltern oder ihm Arme und Beine brechen und seinen Körper auf den Scheiterhaufen werfen lassen.«
    »Aber wenn keine Gewalt im Spiel war und sie sich freiwillig mit ihm gepaart hätte?«
    »Das ist etwas anderes«, sagte Neuntöter langsam. »Im Falle von Weidenstumpf würde sie vielleicht befehlen, ihn halb tot zu schlagen. Möglicherweise würde man ihm die Beine brechen, dann müsste er von der Gnade seines Clans leben. Hätte sie aber einen schlechten Tag, würde sie mir vielleicht auftragen, ihm den Schädel einzuschlagen und ihn bei Flut in den Fischfluss zu werfen.«
    Sonnenmuschel biss sich auf die Lippen.
    Neuntöter blickte sie fragend an, und Jaguar erklärte: »Offenbar hat der junge Wilder Fuchs mich angelogen. Und damit hat er Sonnenmuschel in eine schwierige Lage gebracht.« Er wandte sich an das gedemütigte Mädchen. »Was wusstest du davon?«
    Sonnenmuschel ließ den Kopf sinken; sie starrte auf ihre schmalen Hände. »Ich habe es nicht gewusst, Ältester. Das schwöre ich. Ich …«
    »Und geahnt?«
    »Nun ja, sie verschwanden oft. Einfach so, auf und davon. Manchmal fragt man nicht… will es gar nicht wissen.« Sie hob die Hände. »Außerdem glaubten sie, sie würden heiraten. Es ahnte doch niemand … diese Verbindung mit Kupferdonner.«
    Neuntöter runzelte nachdenklich die Stirn. Es war kaum zu fassen: die unreife Enkelin der Weroansqua treibt sich mit einem Mann herum - unter seiner Nase! Er ärgerte sich über sich selbst, bemerkte, dass seine Pfeife kalt geworden war, und griff brüsk nach einem Zweig, um sie neu zu entzünden. Also gut, es war geschehen - und nun war Rote Schlinge tot. Aber warum? Und wer hatte sie getötet?
    Jaguar warf einen Unheil verkündenden Blick ins Feuer. Seine Finger umklammerten die Pfeife so fest, dass seine Nägel weiß wurden. »Ich sagte ihm, dass ich ihm bei lebendigem Leib die Haut abziehe.«
    »Haut abziehen? Wem?«, fragte Neuntöter

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