Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Vorzeitsaga 09 - Das Volk des Nebels

Vorzeitsaga 09 - Das Volk des Nebels

Titel: Vorzeitsaga 09 - Das Volk des Nebels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gear & Gear
Vom Netzwerk:
dann könnte man glauben, sie wären die Zwillingsbrüder von Blitzende Katze und Gestreifter Bär.«
    Muschelkamm betrachtete die herumwirbelnden Krieger. »Deine Ankunft hat für einen ordentlichen Aufruhr gesorgt. Meine Mutter weiß nicht genau, ob sie dich von den Kriegern des Großen Tayac aus dem Dorf jagen lassen oder sie ihr Amt gleich dir überlassen soll.«
    Jaguar bewegte seine Finger im Takt der Musik und nickte im selben Rhythmus. »Du bist sicher Muschelkamm.«
    »Die bin ich.« Sie betrachtete ihn im tanzenden Feuerschein. »Aber ich frage mich: Wer bist du? Von deinem Clan, von deiner Familie und woher du kommst weiß niemand etwas. Man spricht von dir als von dem Zauberer. Es sei denn, Kupferdonner spricht von dir. Er nennt dich Rabe.«
    »Unter diesem Namen kannte er mich. Aber das ist lange her, Muschelkamm. Und es war weit von hier.« Jaguar machte eine Bewegung nach Westen, zum Himmel, der sich gerade verdunkelte. »Es war jenseits der Berge, bei den großen Flüssen. Du hast sicher von den Schlangenhäuptlingen gehört und von den Tempeln, die sie bis zur Sonne bauen.«
    »Bist du einer von ihnen? Gehören sie zu deinen Leuten?«
    »Ich lebte eine Zeit lang unter ihnen.«
    »Du sprichst aber wie einer aus unserer Gegend. Bist du hier aufgewachsen?«
    »Ich sagte, dass ich unter ihnen lebte. Ich war an vielen Orten.«
    »Du bleibst wohl ein immer währendes Rätsel?« Wer war dieser Mann, der so ungezwungen über sich redete, dabei aber nichts sagte? »Ich hörte, dass du deinen Clan … ja, ›die Hochbeinigem nanntest.«
    »Oh, ich fürchte, das war ein kleiner Scherz.« Der Alte lächelte wehmütig. »Ja, ich hatte einen Clan, vor langer Zeit. Für ihn bin ich seit über fünfmal zehn Blätterblüten tot. Es klingt sicher sonderbar in deinen Ohren, nicht wahr? Dass ein Mensch ohne Clan lebt. Denn schließlich bestimmt der Clan unseren Platz in der Welt, und jeder weiß, wer wir sind. Unsere Sippe schenkt uns schließlich alles, unsere Regeln, unsere Pflichten und Verantwortlichkeiten, unsere Lebensgefährten, unsere Freunde, sogar unser jenseitiges Leben.« »Ohne Familie sind wir nichts.«
    »Dann bin ich nichts, Muschelkamm. Mein Clan ist für mich tot, so wie ich für ihn tot bin. So stehe ich also vor dir als ein Stück menschlichen Treibguts, ein Klumpen lebenden Fleisches, ohne eine Verpflichtung gegenüber irgendeinem Clan, einer Familie oder einem Dorf. Ich bin völlig frei.«
    Sie atmete tief ein und wickelte sich eine Haarsträhne um den Finger. »Ich bin möglicherweise der einzige Mensch in diesem Dorf, der dich bewundert, Ältester.« Wie würde sie sein, diese absolute Freiheit?
    Er lächelte sanft, als er ihre Gedanken las. »Erschreckend«, sagte er einfach. »Absolut frei zu sein, ist entsetzlich. Besonders, wenn man in den hegenden Armen eines angesehenen und einflussreichen Clans erzogen wurde. Mir fehlte es an nichts, Muschelkamm, so wie dir auch. Dort war immer jemand, der mir half, der mir am Feuer einen Platz frei machte. Wenn ich krank war, pflegten sie mich. So, wie sie dich pflegen, wenn du krank bist. Wenn du verletzt bist, sorgen sie für dich. Wenn jemand dich bedroht, kommen sie mit erhobenen Keulen herbei, denn du gehörst zum Clan. Sie geben dir alles, und du hast die Pflicht, alles zurückzugeben.«
    Im Bann seiner besänftigenden Worte hatte Muschelkamm das Gefühl, sich in Luft aufzulösen. Unter ihrem Herzen entstand eine Leere, ein gähnender Abgrund, der sie zu verschlingen drohte. Ihre Stimme wurde zu einem qualvollen Flüstern. »O ja, Ältester. Ich gab ihnen sogar mein Herz, mein zerfetztes, blutiges Herz. Ich kämpfte trotzdem mit ihnen, immer und immer wieder, um nach meinen eigenen Regeln zu leben.« Sie fasste sich, verärgert über ihre eigene Verletzlichkeit. »Aber warum erzähle ich dir das alles?«
    Er lachte leise. Ihre Entgegnung belustigte ihn. »Weil dir niemand sonst zuhören würde. Niemand versteht die Sehnsucht in deiner Stimme.« Er deutete nach Westen. »Du könntest gehen. Jetzt! Pack deine Sachen und verschwinde. Dort draußen ist die ganze Welt.«
    Sie rieb sich die Arme und dachte an Kupferdonner, an die Dörfer stromaufwärts, und dann schweiften ihre Gedanken in die Vergangenheit ab. »Einmal ging ich nach Norden, auf eine Handelsfahrt zu den Susquehannocks. Ich war … nein, sie waren … nun ja … anders. Als wären sie gar keine Menschen.
    Was sie taten, wie sie lebten, genauso, aber so …«
    »Erschreckend«, ergänzte

Weitere Kostenlose Bücher