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Vorzeitsaga 10 - Das Volk der Masken

Vorzeitsaga 10 - Das Volk der Masken

Titel: Vorzeitsaga 10 - Das Volk der Masken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gear & Gear
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beinahe schon erreichen.« Als der Junge in seine Reichweite kam, packte Blauer Rabe ihn am linken Handgelenk, worauf der Junge aufschrie, vor Schmerz oder vor Angst, das konnte er nicht sagen.
    »Ich hab dich! Jetzt brauchst du keine Angst mehr zu haben.«
    Sein Blick fiel auf das Handgelenk des Jungen, und jetzt begriff er auch die fatale Entscheidung von Weißer Reiher. Die Lederriemen hatten tiefe Wunden in das Fleisch gescheuert, die Schattengeister hatten sich bereits daran gelabt und eiternde Spuren hinterlassen. Die gefesselten Beine des Jungen sahen auch nicht besser aus, sie bluteten und waren angeschwollen. Der Anblick tat Blauer Rabe in der Seele weh. Wie konnten erwachsenen Männer einem Kind von neun Wintern so etwas nur antun? Wenn sie tatsächlich Angst vor dem kleinen Jungen gehabt hatten, so warf das ein beschämendes Licht auf die gesamte Kriegerschar des Wanderervolkes! Dann sollte man sie als Feiglinge aus dieser tapferen Schar ausschließen!
    »Keine Sorge, ich lasse dich nicht fallen«, versicherte er Polterer mit freundlicher Stimme. »Rutsche mit deinen Füßen langsam Stück für Stück näher zu mir heran. Ich muss dir die Fußfesseln aufschneiden.«
    Polterer kniff die schwarzen Augen zusammen, als argwöhnte er eine Falle.
    »Ich greife jetzt in meinen Umhang, um mein Messer aus der Scheide zu ziehen. Keine Angst, ich will damit nur die Lederriemen durchschneiden. Hast du mich verstanden?«
    Blauer Rabe bemühte sich um ganz langsame Bewegungen, während er das graue Hornsteinmesser an Polterers Beine führte. Mit einem gekonnten Schnitt trennte er die Riemen durch, die zu Boden fielen und dort wie eingeringelte Schlangen liegen blieben.
    Ein kleiner Seufzer der Erleichterung stahl sich aus Polterers Kehle.
    »So«, sagte Blauer Rabe. »Jetzt kannst du dich leichter bewegen. Komm her. Wir klettern jetzt gemeinsam hinunter und suchen uns einen gemütlichen Platz am Feuer.«
    Polterer streckte zögerlich die Hand aus, und Blauer Rabe ergriff einen kleinen, eiskalten Arm. »Gut gemacht. Ich danke dir, Polterer!«
    Jetzt konnte Blauer Rabe einen Arm um den Kleinen legen und ihn auf seine Hüfte ziehen. »Halt dich gut an mir fest, wenn wir herunterklettern, ja?«
    Der Junge nickte.
    Vorsichtig begann er den Abstieg. An der dritten Sprosse vergrub Polterer das Gesicht in den Falten von Blauer Rabes Lederumhang, um seine Augen zu verbergen.
    »Das schaffen wir ohne Probleme«, redete ihm Blauer Rabe beruhigend zu. »Du brauchst keine Angst mehr zu haben.«
    Als Antwort griff der Junge durch die Öffnung des Umhangs von Blauer Rabe und klammerte sich an seinem Lederhemd fest.
    Nachdem sie wieder festen Boden unter den Füßen hatten, sagte Blauer Rabe: »Du kannst jetzt deine Augen wieder aufmachen. Siehst du? Ich sagte dir doch, dass wir nicht runterfallen.« Vorsichtig setzte er Polterer ab.
    Der Junge stand schwankend auf seinen zitternden Beinen und versuchte angestrengt, die Beinmuskeln anzuspannen, damit das Zittern aufhörte. Aber es half nichts. Schließlich spreizte er die verletzten Beine, um einen einigermaßen sicheren Stand zu haben.
    Nachdem er ein paar Mal tief Luft geholt hatte, fragte er tapfer: »Was hast du jetzt mit mir vor?« »Ich bringe dich in mein Langhaus. Wo ist denn dein Umhang? Oder haben die Krieger dir eine Decke gegeben, um dich warm zu halten?«
    Polterer schob einen zitternden Finger zwischen die Lippen und lutschte daran. Das schien ihn zu beruhigen, denn unversehens glätteten sich seine verängstigten Züge. »Nein, ich hatte nur mein Hemd«, nuschelte er an seinem Finger vorbei.
    »Die Männer, die dich raubten, haben dir doch sicherlich etwas zum Anziehen gegeben, damit du auf dem langen Fußmarsch nicht frierst.«
    Polterer schüttelte den Kopf. »Nein, haben sie nicht. Auch kein Wasser oder etwas zu Essen. Sie hatten Angst vor mir. Am zweiten Abend, als wir das Lager aufschlugen, sagte ich ihnen, dass ich sie töten würde. Danach haben sie sich nicht mehr getraut, mich anzufassen.« Blauer Rabe nahm seinen eigenen Umhang ab und legte ihn Polterer um die schmalen Schultern. »Sie hatten Befehl, sich gut um dich zu kümmern, Polterer. Sie werden für ihre Dummheit bestraft werden, das versichere ich dir.«
    Er knotete die Lederbänder des Umhangs unter dem Kinn des Jungen fest. »So, ich glaube, fürs Erste geht das so.« Zwei Handbreit des Saums bauschten sich auf dem Boden. »Du solltest den Umhang hochheben, damit du beim Gehen nicht darüber stolperst,

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