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Vorzeitsaga 10 - Das Volk der Masken

Vorzeitsaga 10 - Das Volk der Masken

Titel: Vorzeitsaga 10 - Das Volk der Masken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathleen O'Neal Gear , W. Michael Gear
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im Matsch fest. Als sie den ersten Felsbrocken erreicht hatte, spürte sie ein heftiges Ziehen in den Wadenmuskeln. Sie stützte sich an dem hohen Findling ab und verschnaufte einen Moment. Orangerote Flechten überzogen das Gestein und bildeten ein interessantes Muster, das Zaunkönig mit ihrem Finger nachzog. Zwischendurch warf sie einen Blick über die Schulter, um zu sehen, was Polterer machte. Der Blick seiner weit aufgerissenen Augen verlor sich zwischen den Bäumen… aber er schien soweit Ordnung zu sein.
    Am Fuße des Felsens lagen etliche kleinere Steinbrocken herum, die durch den starken Frost abgesplittert waren. Mit der Spitze ihres Mokassin stocherte sie in dem matschigen Schnee, fand aber keine flachen Steine. Als sie um den Felsen herumging und sich mit der Hand daran abstütze, zerbröckelte der Stein unter ihrer Handfläche. Vorsichtig löste sie eine größere Platte ab und besah sie genau. Sie hatte die Fläche von ungefähr vier Händen und schien für ihre Zwecke recht brauchbar. Mit dieser Steinplatte machte sich Zaunkönig wieder auf den Weg zurück zu ihrem Lagerplatz. Als sie die Lichtung erreicht hatte, rief sie: »Polterer? Wie geht es dir?«
    »Gut. Ich… ich bin bereit, Zaunkönig.«
    Er drehte sich zu ihr um, die schwarzen Pupillen so geweitet, dass sie die ganzen Augäpfel auszufüllen schienen. Der Anblick ließ Zaunkönig abrupt innehalten. Genauso hatten seine Augen vor vierzehn Tagen im Versammlungshaus ausgesehen. Zaunkönig schluckte hart gegen ihr Entsetzen an. Hatte er damals auch Papayasamen gegessen, um die Schmerzen der Fesseln zu lindern?
    Ihren ganzen Mut zusammennehmend, setzte sie sich wieder in Bewegung und ließ sich im Schneidersitz neben dem Feuer nieder. Die Steinplatte legte sie zwischen Polterer und sich auf den Boden.
    Polterer beugte sich nach vorn, um die Hand auf den flachen Stein zu legen. Die schwarzen Fingerspitzen sahen grotesk aus vor dem grau und weiß gesprenkelten Hintergrund des Gesteins. »Ich bin bereit«, wiederholte er.
    Zaunkönig nahm ihre weiße Steinklinge und die Feuergehärtete Schale zur Hand. »Wie lange wird die Betäubung anhalten, Polterer?«
    »Ungefähr die Spanne von zwei Hand Zeit.«
    Zaunkönig holte tief Luft. Bevor sie sich ans Werk machte, griff sie noch rasch mit einer Hand unter ihren Umhang und berührte den zerkauten Lederfetzen, der an ihrem Gürtel hing. Hilf mir, Gauner, dass ich alles richtig mache. Ich habe Angst.
    Ihre Hand bebte, als sie die rechte Hand um die scharfe Klinge schloss.
    »Hab keine Angst, Zaunkönig«, sagte Polterer und spreizte die Finger, so weit er konnte. »Du kannst es.«
    Sie hatte ihre Linke auf Polterers Handrücken gedrückt, um sie festzuhalten, und senkte gerade die Klinge, als der Habicht, der die ganze Zeit am Himmel über ihnen seine Kreise gezogen hatte, plötzlich herabsegelte und sich sanft auf einem Ast genau über Polterers Kopf niederließ. Zaunkönig betrachtete ihn mit gebanntem Blick.
    Dann bemerkte sie ein paar Schritte zu ihrer Rechten ein weißes Wiesel, das sich auf die Hinterläufe gestellt hatte und sie mit seinen Schwarzglänzenden Knopfaugen beobachtete.
    Gleichzeitig flatterte ein Schwärm von über hundert Finken herbei, die sich in den Zweigen der vier Sassafras-Bäume niederließen und zwitschernd ein Lied anstimmten, dessen fröhliche Melodie bald den ganzen Wald erfüllte.
    Polterer beugte den Kopf zurück und schaute zu den Vögeln hoch.
    »Die sind heute aber neugierig«, wisperte Zaunkönig und merkte, dass die wunderschönen Weisen ihre Angst ein wenig besänftigten.
    Polterer lächelte. »Die hat mein Vater geschickt.«
    »Damit sie dafür sorgen, dass ich dir nicht weh tue?«
    »Nein«, erwiderte er. »Um dir ihre Macht zu verleihen.
    Spürst du es denn nicht? Ich habe das Gefühl, als fließe süßer Ahornsaft durch meine Adern.« Zaunkönig spürte schon etwas, war sich aber nicht sicher, ob es Macht war. Es fühlte sich eher an wie Panik, denn es kribbelte sie plötzlich am ganzen Körper. »Ich fange jetzt an, Polterer Bist du bereit?«
    »Ja.«
    Zaunkönig biss die Zähne aufeinander, damit sie nicht klapperten, und kniete sich hin. Sie senkte die Klinge über das zweite Gelenk seines kleinen Fingers und begann schnell und mit festem Druck hin und her zu sägen, ohne Rücksicht auf das Blut, das dabei über den Granitstein floss. Als der Knochen unter der Klinge brach, schnitt sie außen herum, durchtrennte die Sehnen und Bänder und drückte die Klinge

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