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Vorzeitsaga 10 - Das Volk der Masken

Vorzeitsaga 10 - Das Volk der Masken

Titel: Vorzeitsaga 10 - Das Volk der Masken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathleen O'Neal Gear , W. Michael Gear
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aufgefordert, etwas zu essen oder zu trinken, aber er wollte nicht.«
    Blauer Rabe kniff die dunkelbraunen Augen zusammen. »Bitte, Polterer, iss etwas. Schnell, ehe ich dich fortbringen muss.«
    »Ihn fortbringen?«, wiederholte Zaunkönig alarmiert. »Wohin denn?«
    »Anführerin Siebenstern hat bestimmt, dass wir ihn an den Wurzeln des Sonnenjungen festbinden …« Zaunkönig spürte, wie sie blass wurde.
    »… bis Springender Dachs zurückkehrt und wir eine Klan-Versammlung einberufen können. Außerdem hat sie befohlen, dass sich bis dahin niemand dem Falschgesicht-Kind nähern darf.« Blauer Rabe streckte dem Jungen mit einer bittenden Geste die Hand hin. »Versuche doch, etwas zu essen, Polterer.«
    Der Junge zeigte keine Regung.
    Daraufhin erhob sich Blauer Rabe seufzend, ging um die Feuergrube herum und zog Polterer auf die Füße.
    »Ich bin bald wieder zurück, Zaunkönig. Hilf deiner Großmutter, solange ich weg bin. Du bist sehr viel mutiger als sie.«
    »Aber Onkel, hast du es vergessen? Ich muss doch… ich - ich habe versprochen…« Wortlos ging Blauer Rabe an ihr vorbei und verschwand durch den Vorhang.

6. Kapitel
    Zaunkönigs Hirschlederumhang schabte leise wispernd an dem Buschwerk vorbei, als sie Blauer Rabe und dem Falschgesicht-Kind auf dem gewundenen Wildpfad hinterher schlich. Windmutter blies schon den ganzen Tag über aus vollen Backen - ihr eisiger Atem trieb die verdorrten Blätter über den bewölkten Himmel - und spuckte Schneeflocken. Feine Haarsträhnen lösten sich aus Zaunkönigs Zopf, die sich in den Wimpern verfingen und die sie immer wieder aus dem Gesicht streichen musste. Jedesmal, wenn sie hierher kam, fraß sich eine eisige Kälte in ihren Magen. Der Sonnenjunge bewegte sich lautlos wie der Schatten eines Falken, wenn er sich an die Kranken und Schwachen heranpirschte. Gelang es ihm, in den Körper eines Menschen hineinzuschlüpfen, dann siechte diese Person dahin und starb. Sie hatte das schon mehrmals miterlebt.
    Zaunkönig hielt auf einer Hügelkuppe inne, spähte rasch über die Schulter, ob ihr niemand gefolgt war, verließ dann den Pfad und verschwand leise in einer dichten Kiefernschonung. Die ersten Schritte legte sie noch auf Zehenspitzen zurück, dann rannte sie los. Wenn sie schnell genug war, könnte sie noch vor Onkel Blauer Rabe das Ziel erreichen - und das war sehr wichtig. Sie hatte Gauner versprochen, ihn heute zu besuchen.
    Viele Menschen und Tiere lagen unter den ausladenden Ästen von Sonnenjunge begraben, darunter auch ihr bester Freund. Von der Anhöhe aus konnte sie Gauners Grab sehen. Die Erde hatte sich über der Grabstätte gesenkt und eine flache Vertiefung am Fuße der mächtigen, knorrigen Eiche hinterlassen. Der Anblick ließ Zaunkönigs Herz schneller schlagen.
    Sie tastete unter ihrem Umhang nach dem Geschenk, das sie für Gauner mitgebracht hatte, und rannte dann den Hügel hinab.
    Sie hatte noch keine zehn Schritte zurückgelegt, da entdeckte sie Onkel Blauer Rabe, der mit dem Falschgesicht-Kind an der Hand am Rand der großen Lichtung auftauchte. Er war schneller gelaufen, als sie gedacht hatte. Zaunkönig warf sich der Länge nach hinter einen umgestürzten Baum und betete im Stillen, dass er sie nicht gesehen hatte. Wenn man sie hier erwischte, würde sie der Warnung von Anführerin Siebenstern zufolge den Rest ihres Lebens Mais stampfen und Wasser schleppen müssen. Der Geruch nach verfaultem Holz und gefrorener Erde stieg ihr in die Nase. Ihr Onkel bewegte sich wie ein Mann, der zu seiner eigenen Hinrichtung schritt. Mit schnellen, aber besonnenen Schritten geleitete er das Falschgesicht-Kind zum Sonnenjungen. Stumm watschelte der Junge neben ihm her, die Augen auf die Bäume gerichtet, die am Rand der Lichtung standen. Kurz bevor sie die alte Eiche erreichten, kam Eichel mit einem Bündel Lederriemen hinter ihnen hergerannt.
    Es ging alles im Nu. Die Männer legten den kleinen Jungen auf den Boden, fesselten seine Hände und Füße und trieben einen Holzpflock durch die Fußfesseln in die Erde. Anschließend hoben sie die gebundenen Hände über seinen Kopf und fixierten diese ebenfalls mit einem Holzpflock. Nachdem der Junge angepfählt war, wich Eichel hastig zurück und wischte sich gründlich die Hände an seinem roten Hemd ab, als wollte er vermeiden, dass etwas von der Berührung mit dem Falschgesicht-Kind an ihm haften bliebe. Onkel Blauer Rabe jedoch kniete sich neben den Jungen und breitete seinen warmen Fellumhang über ihm

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