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Vorzeitsaga 10 - Das Volk der Masken

Vorzeitsaga 10 - Das Volk der Masken

Titel: Vorzeitsaga 10 - Das Volk der Masken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathleen O'Neal Gear , W. Michael Gear
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Ältester«, antwortete Hübsches Schild. »Als er kam, ist er gleich unter seine Decken gekrochen. Und seither schläft er. Ich habe versucht, ihn zu wecken, aber…« Blauer Rabe legte zwei Finger an die Halsschlagader des Schlafenden. Der Puls war zwar schwach, aber sein Herz schlug noch.
    »Lass mich wissen, wenn er aufwacht oder sich etwas an seinem Zustand ändert«, bat er Hübsches Schild und ließ die Hand sinken. »Ich muss jetzt zurück in mein Langhaus und mich um das Falschgesicht-Kind kümmern. Aber ich möchte, dass du sofort nach mir schickst, falls Schädelkappe Anzeichen derselben Krankheit erkennen lässt, die auch Moosschnabel plagt.«
    »Jawohl, Ältester, das werde ich.«
    Blauer Rabe erhob sich aus der Hocke und ging zur Tür. Als er sich unter den Fellvorhang geduckt hatte, sah er sich einer wogenden Menge von gut hundert Leuten gegenüber. Siebenstern trat auf ihn zu, packte ihn am Arm und zog ihn zu sich heran.
    »Was gibt es, Anführerin?«
    »Ist er tot?«
    »Nein, er lebt noch.«
    »Und Schädelkappe?«
    »Er scheint ganz tief zu schlafen.«
    Siebensterns knochige Finger krallten sich in Blauer Rabes Arm. »Das Falschgesicht-Kind muss das Dorf verlassen. Hast du mich verstanden? Du musst ihn wegbringen, bevor wir noch alle umkommen.«
    »Wohin denn, Anführerin?«, fragte er ungehalten. »Wohin soll ich ihn denn bringen?« Siebenstern überlegte kurz, dann platzte sie heraus: »Binde ihn am Fuße des Sonnenjungen fest! Lass ihn dort in das goldene Auge seines eigenen Todes blicken!« Damit wirbelte Siebenstern herum und rief ihrem versammelten Volk zu: »Hört mich an! Niemand darf sich ihm nähern! Wir werden die Rückkehr von Springender Dachs abwarten und dann eine Klan-Versammlung einberufen!« Blauer Rabe seufzte erleichtert auf. Der Sonnen-Junge war eine besondere Art von Geist; der eine Teil seines Körpers war tot, der andere lebendig. Er wohnte in einer alten Eiche, die im Süden des Wandererdorfes stand. Alle Naturbedingten Krankheiten und Todesfälle waren das Werk des Sonnenjungen.
    Blauer Rabe erspähte Eichel in der Menge und winkte ihn zu sich heran. »Ich werde jetzt das Falschgesicht-Kind holen und es zum Sonnenjungen bringen«, erklärte er ihm. »Du suchst ein paar Lederriemen zusammen und kommst dann nach.«
    »Jawohl, Ältester.«
    Zwei Wachen hatten sich an den beiden Enden des Langhauses postiert. Dort standen sie, die Arme vor der breiten Brust gekreuzt, das Kriegsbeil in der Hand, Bogen und Köcher griffbereit über der Schulter. Großmutter Frost-auf-den-Weiden hatte sich geweigert, das Langhaus zu betreten, solange das Falschgesicht-Kind sich darin aufhielt. Sumpfbohne war hineingeschlichen, hatte ihren Medizinbeutel gesucht und das Haus schnell wieder verlassen.
    Zaunkönig legte ein neues Holzscheit aufs Feuer. Neben ihr hockte das Falschgesicht-Kind mit angezogenen Beinen auf einem Stapel Felldecken. Seine schwarzen Augen starrten reglos in die niedrigen Flammen. Und selbst als das Feuer aufloderte und Funken sprühten, blinzelte es nicht. Der Junge schien nichts um sich herum wahrzunehmen.
    »Möchtest du eine Schale Tee?« fragte ihn Zaunkönig und zwang eine Sicherheit in ihre Stimme, die sie nicht empfand.
    Er antwortete nicht.
    »Meine Großmutter mischt wilde Johannisbeeren mit Pflaumen und trocknet sie anschließend. Der Tee schmeckt köstlich.«
    Im Winter hatte sie die Älteren oft Geschichten von Heiligen Zwergen erzählen hören, aber bis heute noch nie einen gesehen. Und sich auch nicht vorgestellt, dass sie Kinder sein könnten. In all den Geschichten waren die Zwerge immer Erwachsene gewesen, die wundersame Taten vollbrachten, Kranke heilten, die Ruchlosen bestraften und ihre Klans zu großen Siegen führten. Konnte so ein verwachsenes kleines Kind tatsächlich ein heiliges Wesen sein?, überlegte sie. Es erschien ihr unmöglich. »Ich weiß, dass du reden kannst«, erklärte sie. »Vorhin habe ich es gehört.«
    Zaunkönig betrachtete interessiert seine verkrüppelten Arme und Beine. Sie waren nur halb so lang wie ihre, und sie wunderte sich, warum die Macht sie hatte verkrüppeln lassen. Gab es vielleicht Dinge, die der Junge mit kurzen Gliedmaßen besser bewerkstelligen konnte? Dinge, die mit der Geisterwelt zu tun hatten? Zaunkönig dachte schweigend darüber nach. Nach dem, was Onkel Blauer Rabe ihr erzählt hatte, benötigte die Macht häufig Schamanen, um Aufgaben auszuführen, die gewöhnlichen Sterblichen unmöglich waren. Vielleicht

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