VT08 - Anti-Serum
schlummert also ein Vulkan, wie? Wir sollten uns besser in Acht nehmen, damit er nicht ausbricht!«
Die anderen Kerle lachten.
»Lasst ihn in Ruhe«, flehte Sisa und warf sich vor dem Hünen auf dem Boden. »Bitte tut ihm nicht weh. Ich werde alles für euch tun. Ich verspreche es.«
Es war nicht zu erkennen, ob der Hüne hinter seiner Maske beeindruckt war. »Alles?«, drang es dumpf darunter hervor.
Sisa nickte stumm.
»Das ist gut, Mädchen, denn das wird nötig sein, um meinen Ärger über deine Lügen verrauchen zu lassen.« Er drehte sich zu den Männern um. »Ihr bleibt hier und passt auf die beiden Alten auf. Wenn sie jammern, dreht ihnen einfach die Hälse um. – Du, Vögelchen, kommst jetzt mit mir.«
Er zerrte Sisa nach draußen.
Balan wollte aufspringen, aber einer der Kerle trat ihm in den Weg und warf ihn auf den Stuhl zurück. »Ruhig, Alterchen! Du hast gehört, was Großmeister Zuba gesagt hat.«
Balan blieb nichts anderes übrig, als dem Befehl zu gehorchen.
Er nahm Nal in die Arme und weinte mit ihr zusammen. Die nächsten beiden Stunden wurden die längsten seines Lebens.
***
Der selbsternannte Großmeister Zuba führte Sisa zu den Stallungen, in denen zwei Maelwoorms träge in ihren Ketten lagen. Sie gehörten Tulga und Vin, die in Kilmalie zu Woormreitern ausgebildet worden waren. Danach hatte ihr Vater Balan sich diese beiden Erstwoorms aus einer Kilmalier Zucht gekauft, was ihn eine halbe Jahresernte kostete. Das Geschäft hatte sich gelohnt, denn Tulga und Vin waren erstklassige Reiter, und inzwischen waren die Woorms, die auf die Namen Li und Lu hörten, so gut ausgebildet, dass sie in Kilmalie sicherlich als Dritt- oder Viertwoorms eingestuft worden wären.
Mit ihrer Hilfe ließ sich die Ernte drei Mal schneller einholen, sodass Balan im darauf folgenden Jahr einen Teil des Ertrags verwendete, um vier zusätzliche Hektar Land zu kaufen.
Der Großmeister schlug sich auf die Schenkel, als er die angeketteten Woorms erblickte. »Sieh an, so hübsche Geschöpfe hatte ich hier gar nicht erwartet. Dein Vater ist wohl ein sehr vornehmer Mann, dass er sich zwei Maelwoorms halten kann. Jetzt wirst du mir bestimmt erzählen, dass er sie auch noch selbst reitet, wie?«
Sisa schwieg.
Großmeister Zuba stieß sie an Boxen vorbei ins Strohlager und strich dem Mädchen mit der Linken über das Gesicht. Die Narbe auf seinem Kinn tanzte, als er flüsterte: »Du hast Angst, nicht wahr? Natürlich hast du Angst. Wer hätte nicht Angst vor Zuba dem Schrecklichen… Aber du brauchst dich nicht zu fürchten. Ich will nichts von dir – jedenfalls nicht das, was du glaubst.«
»Bitte lasst meine Eltern in Ruhe«, schluchzte Sisa.
»Deinen Eltern wird nichts geschehen, wenn du mir endlich die Wahrheit sagst. Ich bin nämlich nicht blöd, weißt du? So viel Ackerland, ein prächtiger Hof und sogar zwei handzahme Maelwoorms im Stall – mein Gefühl sagt mir, dass dein Vater ein reicher Mann ist. Sag mir, wo er sein Geld aufbewahrt, und ich lasse euch ungeschoren. Ich verspreche es.«
Sisa zögerte. Für einen Moment spielte sie tatsächlich mit dem Gedanken, dem Hünen von dem schweren Eisenkästchen zu erzählen, das ihr Vater unter einem losen Bodenbrett im Schlafzimmer versteckte. In diesem Kasten befand sich das Geld, das er für seine Waren auf dem Markt von Muhnzipal erlöste – und eine nicht geringe »eiserne Reserve« für schlechte Zeiten, die er während der vergangenen Jahrzehnte angehäuft hatte.
Sisa schloss die Augen. Ihre Familie hatte jede Münze aus diesem Kästchen mit ehrlicher, harter Schufterei auf dem Feld erarbeitet. Sie durfte sie nicht verraten, indem sie diesem Ungeheuer das Versteck verriet.
»Nun?«, fragte er drohend.
»Wir haben kein Geld«, sagte sie. »Wir haben alles in die Woorms investiert, die wir erst letzte Woche gekauft haben.«
»Lüg mich nicht an!«, brüllte der Hüne, sodass Sisa zusammenzuckte. »Glaubst du, ich sehe nicht, dass die Woorms ausgewachsen und kräftig sind? Solche Woorms würde kein Reiterhof der umliegenden Dörfer hergeben. Nein, ihr habt sie gekauft, als sie jung waren, und dann selbst ausgebildet!«
»Ich sage die Wahrheit«, schluchzte sie.
Großmeister Zuba verpasste ihr einen Schlag mit dem Holz, der Sisa auf das Stroh warf. Sie spürte, wie warmes Blut über ihre Wange rann, aber sie wagte es nicht, auch nur einen Laut von sich zu geben.
»Gut, du willst es nicht anders. Dann werde ich dir eben erklären müssen, was es
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