VT08 - Anti-Serum
aufzubringen. Der Nachbar war ein ehrlicher Bauer, dem man vertrauen konnte. Das sah auch Balan so, der Rubo bereits darüber informiert hatte, dass er ihm eine zusätzliche Frist bis zum Ende der Erntezeit einräumte.
Mit dem Ausbruch des großen Berges nun hatten sich die Dinge geändert. Rubos Felder waren zu klein, um die riesige Nachfrage in Muhnzipal zu befriedigen – und Balan und seine Söhne hatten ihrerseits bisher gut verdient. Warum also nicht Rubo seinen Hof abkaufen, wenn damit am Ende vielleicht beiden Seiten geholfen war? Rubo wäre seine Schulden los und hätte darüber hinaus genügend Geld übrig, um in Muhnzipal neu aufzufangen.
Tulga wurde in seinen Gedankengängen unterbrochen.
Stirnrunzelnd beobachtete er, wie Vin das Ledersäckchen öffnete und die Jeandors darin zu zählen begann. Es gefiel ihm nicht, dass Vin seine Gier so offen zur Schau stellte. Er würde niemals ein richtiger Bauer und Kaufmann werden. Tulga fürchtete sogar, dass er ihn später unterstützen musste, wenn Vater nicht mehr seine schützende Hand über sie hielt.
»Mach den Beutel zu«, knurrte Tulga. »Wie leicht kann jemand sehen, wie viel Geld du mit dir herumträgst, und dann ist es um deine Schätze geschehen.«
Vin grinste. »Da vorn ist Rubos Hof. Vielleicht sollten wir mal bei ihm klopfen und ihm zeigen, was wir heute verdient haben.«
»Wir fahren weiter. Dann können wir heute Nachmittag noch mit der Ernte des nächsten Feldes beginnen.«
»Aber die Woorms sind erschöpft von der Arbeit. Wir sollten ihnen ein paar Tage Ruhe gönnen.«
Tulga lachte hart. »Du bist erschöpft von der Arbeit, Vin. Mir machst du nichts vor. Du würdest dich am liebsten für den Rest der Erntezeit ins Bett legen und schlafen. Aber du vergisst, wie Vater den Hof verdient hat, auf dem wir leben – mit harter Arbeit! Er hat sich niemals zu früh zufrieden gegeben.«
»Vater ist ein Dummkopf«, murrte Vin. »Wir haben genug Geld. Wir können Sklaven kaufen und sie für uns arbeiten lassen.«
Tulga schüttelte den Kopf. Vin war eine Schande für die Familie. Mit seiner Faulheit und Geldgier beschmutzte er den Lebenstraum seines Vaters, der sich stets gewünscht hatte, den Hof eines Tages seinen fleißigen Nachkommen übergeben zu können. Aber Balan war auch zum Teil selbst schuld an diesem Elend. Er hatte in den frühen Jahren versäumt, Vin die Faulheit auszutreiben. Jetzt war es dafür längst zu spät.
Vin grinste breit. »Vielleicht sollten wir Rubo Anan als Sklaven einsetzen – nachdem wir seinen Hof gekauft hatten.«
Er schirmte die Augen mit der Hand ab und ließ den Blick über das Gehöft schweifen. »Andererseits ist das wohl doch keine gute Idee. Rubo Anan ist nicht auf dem Feld. Auf dem Hof ist niemand zu sehen. Dabei dachte ich immer, ich wäre der faulste Bauer in ganz Afra…«
Auf Tulgas Stirn entstand eine steile Falte. Tatsächlich waren die Felder um das Gehöft herum leer – und das, obwohl ein großer Teil der Maisernte noch nicht eingefahren war.
Rubo Anan konnte sich keine Maelwoorms leisten, deshalb erntete er mit der Hand. Tulga suchte vergeblich nach der sehnigen Gestalt des Bauern. Das Feld war leer. Die Spitzen der Maispflanzen wiegten sich sanft im Wind.
»Vielleicht schläft er?«
Tulga schüttelte den Kopf. »Dann könnte man zumindest die Kinder hören. Aber auf dem Hof ist es totenstill. Da stimmt was nicht.« Er stoppte das Wakuda mit einem Zügelschlag und sprang vom Bock des Heuwagens.
»Was soll das?«, rief Vin ärgerlich. »Du hast selbst gesagt, dass wir zeitig zu Hause sein sollen.«
»Rubo Anan war schon heute Morgen nicht auf dem Feld zu sehen. Ich will nur sichergehen, dass ihm nichts zugestoßen ist.« Tulga öffnete das Tor, das in den sperrigen Holzzaun eingelassen war, und betrat den Hof. In den Ställen war es ebenfalls still. Über dem Hof lag eine unheimliche Ruhe.
Tulga trat an die Tür des Wohnhauses und klopfte.
Niemand öffnete.
»Rubo?«, rief er mit vernehmlicher Stimme. »Ich bin es, Tulga. Bist du da?«
Vin grunzte. »Vielleicht wäre es gar nicht so schlecht, wenn ihm was zugestoßen ist. Dann bekämen wir den Hof sogar umsonst…«
»Halt deinen schändlichen Mund!«, rief Tulga verärgert.
»Dann lass uns verschwinden. Ich hab Hunger.«
Tulga drückte die Tür auf. Aus der Hütte drang ein süßlicher Gestank. Tulga hielt sich die Hand vor die Nase und trat ein.
Auf den ersten Blick wirkte alles wie immer. In der Mitte des Raumes befand sich ein
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