Wachtmeister Studer
verbarg es fast ganz – und mit ganz ruhiger Stimme sagte der Obergärtner Cottereau:
»Das tätet Ihr gern wissen, he? Aber von mir erfahrt Ihr nichts. Es war, vielleicht war es… Gar nichts war's! Eigentlich könntet Ihr mir aufhelfen und mich dann heimführen, bin ohnehin ganz naß, die Nacht im Wald… Sie haben mich zwar… Ja, der Meister wird auf mich warten, hat er große Sorge gehabt um mich?«
»Er hat Euch durchs Radio suchen lassen…«, sagte Studer – da hockte der Mann blitzschnell auf, aber eine Grimasse verzog sein Gesicht. Dann breitete sich ein Ausdruck von Stolz darüber aus:
»Durchs Radio?« fragte er. Darauf bewundernd: »Ja, der Ellenberger!… Wie geht's ihm, dem Meister? Ist er schwer verletzt worden?«
Studer schüttelte den Kopf und meinte streng, er werde ihn, den Cottereau, liegen lassen, wenn er nicht sagen wolle, wer ihn überfallen habe.
»Das könnt Ihr machen, wie Ihr wollt, Herr Fahnder«, sagte der kleine dicke Mann, zog einen Taschenspiegel hervor, einen Kamm und begann sich zu strählen.
»So, und jetzt könnt Ihr mich heimführen… Ihr seid ohnehin schuld, daß sie mich so abgeschwartet haben. Aber der Cottereau ist zäh, der sagt nichts, der weiß, was er seinem Meister schuldig ist…«
Und nach einem Schweigen:
»Man wird alt«, sagte der Kleine. »Man ist nicht mehr so rüstig wie früher. Schad, daß der Meister gestern nicht mitgekommen ist, der hätt' die Burschen anders traktiert!«
»Die Burschen?« fragte Studer. »Welche Burschen?«
»Hehe«, lachte Cottereau. »Das möchtet Ihr gern wissen, Wachtmeister. Aber ich sag nichts. Ich mach nicht mehr mit… Punkt… Schluß… Ich mach nicht mehr mit!« Und er schüttelte trotz der Schmerzen, die er offenbar verspürte, ganz energisch den Kopf.
Studer bückte sich. Cottereau legte seinen Arm um die Schultern des Wachtmeisters, richtete sich auf, stöhnend, und begann dann langsam zu gehen. Studer stützte ihn.
»Der Rücken!« klagte der Dicke. »Geschlagen haben sie! Und dazu immer gesagt: ›So!… ein Fahnder von der Stadt will sich in unsere Angelegenheiten mischen! Das ist nur‹, haben sie gesagt, ›eine kleine Probe, Cottereau. Damit du's Maul hältst. Verstanden? Wir haben unsern Landjäger. Wir brauchen keinen Tschucker von der Stadt!‹ Ja, das haben sie gesagt. Und von mir erfährt niemand nichts. Verstanden, Fahnder? Ich bin still. Ich schweige, ich schweige, wie das Grab…« Dann murmelte der alte Cottereau noch einiges, das nicht zu verstehen war…
Wenn Studer gedacht hatte, den ganzen Vorfall vom Ellenberger erklärt zu bekommen, so wurde er enttäuscht. Ellenberger saß auf einem Bänklein vor seinem Haus. Es war eine Art Villa, noch ziemlich neu, ein Schuppen stand hinterm Haus, die Fenster eines Treibhauses schimmerten. Der Ellenberger hatte um den Kopf einen dicken weißen Verband.
»So«, sagte er trocken, »habt
Ihr
den Cottereau gefunden? Dank Euch, Wachtmeister. Ihr seid ja ein richtiger ›Deus ex machina‹.« – Und er lachte schleppend, als er Studers erstauntes Gesicht sah.
»Warum habt Ihr denn den Radio alarmiert?« fragte Studer endlich neugierig.
»Das werdet Ihr später schon verstehen«, sagte der alte Ellenberger und strich sich über seinen weißen Turban. »Vielleicht hab ich Euch damit einen Dienst geleistet …«
»Dienst?« Studer wurde ärgerlich. »Der Cottereau schweigt sich aus. Und Ihr habt ja auch nichts gesagt. Wer hat Euch angefallen, wer Euern Obergärtner verschleppt?«
»Wachtmeister«, sagte Ellenberger, und er machte ein sehr ernstes Gesicht. »Es gibt Äpfel und Äpfel. Solche, die könnt Ihr vom Baum essen, sie sind reif, und andere, die müßt Ihr einkellern, die werden erst im Horner gut, oder im Märzen… Abwarten, Wachtmeister, bis der Apfel reif wird. Geduld haben. Verstanden?«
Und mit dieser Auskunft mußte sich Studer zufrieden geben. Nicht einmal mit dem Schreier und dem Buchegger konnte er die Bekanntschaft erneuern. Sie arbeiteten noch, hieß es.
Eine Baumschule sei kein Staatsbetrieb, sagte der Ellenberger bissig. Am Samstagnachmittag werde hier geschafft…
Zimmer zu vermieten
Schlumpf hatte dem Wachtmeister erzählt, er habe bei einem Ehepaar gewohnt, das in der Bahnhofstraße ein Korbereigeschäft betrieben habe. Hofmann hätten die Leute geheißen.
Das Haus war nicht schwer zu finden. Auf dem Trottoir, vor dem Laden, standen geflochtene Blumenständer, die sich nach einem Salon und der obligaten Palme zu sehnen schienen.
Weitere Kostenlose Bücher