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Wachtmeister Studer

Wachtmeister Studer

Titel: Wachtmeister Studer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Glauser
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Häutchen, das über dem einen lag, war weiß.
    »Wie?… Was?…« stotterte Frau Witschi.
    »Nichts, nichts«, Studer winkte müde ab. »Es hat ja alles keinen Wert, der Schlumpf hat ja gestanden.« Aber unter den halbgesenkten Lidern beobachtete Studer neugierig die Frau.
    Ein Aufatmen. Frau Witschi stand auf, ging in die Küche, kam mit einer Küderschaufel zurück und wischte die Scherben zusammen.
    »Scherben bringen Glück«, sagte Studer leise.
    Ein giftiger Blick der Frau. Dann:
    »So! Hat der Mörder endlich gestanden! Ein Glück! Dann habt Ihr ja hier nichts mehr zu tun, Wachtmeister!« (›Ihr‹ statt ›Sie‹! Studer lächelte.)
    »Sie haben ganz recht, Frau Witschi, ich hab' nichts mehr zu tun…«
    Wie spät war es? Draußen war noch heller Tag. Der Schuppen stand am Ende des Gartens, man sah ihn gut durchs Fenster. Studer blickte lange hin. Er dachte: Diese Nacht sollte ich hier in der Nähe Posten stehen, die Mutter und der Sohn werden versuchen, die Tür zu verbrennen. Hätt' ich nichts sagen sollen? Doch, es war ganz gut. So ein Schreckschuß ist manchmal ganz gut. Obwohl der ganze Fall hoffnungslos ist. Düster, düster… Er hat recht, der Kommissär Madelin! Ein Mordfall auf dem Land!… Wollen wir den Witschi in Frieden lassen? Er hat sich geopfert für die Familie… Er hat sich erschossen, damit die Versicherung zahlt… Hat er wirklich geschossen?… Mit dem rechtwinklig abstehenden Arm?… Vielleicht steckt doch mehr hinter dem Fall… Aber wer hat dann geschossen?… Der Schlumpf?… Doch der Schlumpf?… Kann man einen Mord aus Liebe begehen?… Warum nicht? Gleichwohl, es ist unwahrscheinlich… Der Armin?… Der Maquereau?… Nein, nein, zu feig… Die Mutter?… Chabis!… Wer dann? Wenn man nur wüßte, wer den Revolver gekauft hat, vielleicht gäbe das einen Anhaltspunkt…
    »Wo schafft Ihre Tochter in Bern?« fragte Studer laut.
    »Beim Loeb«, die Stimme der alten Frau zitterte. Man sollte sie in Ruhe lassen, die Frau Anastasia, dachte Studer. Er streckte die Hand aus, um sich zu verabschieden. Aber Frau Witschi sah die Hand nicht. Sie ging mit winzigen Schritten zur Tür, öffnete sie. Auf ihrem Gesicht stand ein gefrorenes Lächeln.
    »Auf Wiedersehen, Herr Wachtmeister«, sagte sie.
    Studer neigte stumm den Kopf…

Schwomm
    Auf der Straße schon hörte Studer die Musik. Besonders laut tönte die Handharfe. Schreier schien wieder seinen Platz eingenommen zu haben…
    Und wer saß am Tisch, eifrig auf Armin Witschi einredend, mit hohem Stehkragen und schwarzen, hohen Schnürschuhen zu grauen Flanellhosen?
    Der Lehrer Schwomm.
    Er sprang auf, als Studer an ihm vorbeiging. Sein Gesicht war ratlos und kindlich. Ober der Oberlippe saß ein blondes Schnurrbärtchen.
    »Herr Wachtmeister«, sagte der Lehrer Schwomm atemlos, »ich habe gehört, daß Sie sich mit dem Fall Witschi beschäftigten. Ich habe lange gezögert, Ihnen anzuvertrauen, was ich von der Sache weiß. Aber nun drängt es mich, der Gerechtigkeit meines Vaterlandes Genüge zu tun, und…«
    »Red' nicht so viel, Schwomm«, sagte Armin grob. Studer blickte den Burschen streng an. Der nickte mit dem Kopf, als wolle er sagen: »Du kannst mich lang anstarren, mir machst du keine Angst…«
    »Wollen Sie nicht an meinen Tisch kommen, Herr Lehrer Schwomm?« fragte Studer höflich und wies mit der Hand gegen den Tisch, an dem noch immer der alte Ellenberger saß und gedankenvoll sein Weinglas zwischen Daumen und Zeigefinger zwirbelte…
    Schwomm nahm Platz. Das heißt, er setzte sich auf die äußerste Kante des eisernen Gartenstuhls, zog dann sein Taschentuch heraus und trocknete sich die Stirn. Seine Gesichtshaut war fast so gelb wie seine gelockten Haare.
    »Ich habe nämlich am Abend, an dem der arme Witschi durch Mörderhand umgekommen ist«, sagte der Lehrer Schwomm und knetete an seinen Händen, »zufällig zwei Schüsse gehört…«
    »So?« sagte Studer trocken.
    »A bah!« meinte der alte Ellenberger und zog die Mundwinkel in die Wangen.
    »Ja«, der Lehrer nickte. »Zwei Schüsse. Ich bin an jenem Abend zufällig im Wald spazieren gegangen… In Begleitung… Ich brauche doch nicht anzugeben, mit wem ich im Walde war?«
    Ellenbergers dröhnendes Baßlachen machte den Lehrer noch verlegener.
    »Könnte ich nicht unter vier Augen mit Ihnen sprechen, Herr Wachtmeister?« fragte er und wurde rot.
    Studer schüttelte den Kopf. Ihn interessierte weniger, was der Lehrer ihm zu erzählen hatte, als das, was er offenbar

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