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Wachtmeister Studer

Wachtmeister Studer

Titel: Wachtmeister Studer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Glauser
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begann ihn zu interessieren.
    »Ich hab' mir die Sache so vorgestellt: Der alte Witschi hat ein paar Zigarettenblättli genommen und sie, zusammengeknüllt, vorne in den Lauf gestoßen. Er hat ausprobieren müssen, wie viele es braucht, um saubere Einschußöffnungen zu bekommen. Darum hat er so oft geschossen. Bis es gegangen ist…«
    »Einleuchtend«, sagte Studer. »Kompliziert, aber nicht unmöglich.«
    Er drehte gedankenvoll den roten Pappdeckel zwischen den Fingern. Ein dünnes weißes Blättchen haftete noch daran. Studer riß es ab, hielt es zwischen den Fingern, zündete es mit einem Streichholz an und ließ es auf seiner Handfläche verbrennen. Es gab eine kurze, sehr helle Flamme. Auf die Asche ließ Studer den Lichtkegel der Lampe fallen. Ein winziger schwarzer Rest. Und doch, angenommen, Witschi hatte ein paar Blättli gebraucht, so war die Asche sicher nicht ganz verschwunden. Spuren davon mußten in der Wunde zu finden sein. Aber der Assistent im Gerichtsmedizinischen hatte von nichts Derartigem gesprochen. Und Studer war sicher, daß die Untersuchung gründlich geführt worden war… Man mußte dem Italiener noch einmal anläuten, schade, daß heute Sonntag war…
    »Das hast du gut gemacht, Schreier, ich wär' nie auf den Gedanken gekommen. Aber ob wir damit ein Geschworenengericht überzeugen können? Und dann der Browning? Der ist doch nicht neben der Leiche gelegen… Wer hat den aufgelesen? Fortgebracht?«
    »Der Schlumpf natürlich«, sagte Schreier. »Aber wollen wir nicht weitergehen, Wachtmeister? Die Alte« – Schreier meinte Frau Witschi – »kann jeden Moment heimkommen. Von vier bis fünf schließt sie ihren Kiosk. Sogar am Sonntag, und es ist schon fünf Minuten über vier…«
    »Versorg' noch die Tür«, sagte er. Und Schreier nahm die Türe, lehnte sie an die Wand, schichtete Kisten, Schachteln davorauf…
    »Wenn sie nur nicht verbrannt wird«, seufzte Studer. »Dann haben wir keinen Beweis mehr… Beweis?… Schöner Beweis!«
    Sie verließen den Schuppen, gingen durch den Garten, blieben einen Augenblick in der Gartentür stehen und sahen zum Hause zurück. Als sie auf die Straße treten wollten, versperrte eine magere, schwarze Gestalt den Weg.
    »Hat der Herr mich gesucht? Oder was hat er sonst zu suchen? Auf
meinem
Grundstück? Der
Herr Wachtmeister

    Nach jeder Frage stieg die Stimme ein wenig höher…

Anastasia Witschi, geb. Mischler
    Studer hatte Frau Witschi nur flüchtig gesehen, damals, bei seiner Ankunft. Und daß er sie Anastasia getauft hatte, ganz unbewußt (merkwürdigerweise hatte der Name gestimmt), das hatte doch einen ganz verständlichen Grund gehabt.
    Frau Witschi sah nämlich aus wie eine Karikatur der Zensur. Und die Franzosen hatten während des Krieges die Zensur Anastasie getauft…
    Nachdem Frau Witschi ihre Fragen abgeschossen hatte, verschnaufte sie ein wenig. Ihre Blicke ruhten mißbilligend auf Studers Begleiter. Was der da wolle, fragte sie, und diese letzte Frage war ganz besonders giftig; ihre Stimme überschlug sich. Schreier wurde rot.
    Studer fühlte sich unbehaglich, aber er ließ sich nichts anmerken. Und daß seine Zehen in den Schuhen kleine Tänze aufführten, das sah niemand.
    »Wir haben Sie gesucht, Frau Witschi«, sagte Studer und seine Stimme wurde ganz tief, wahrscheinlich als Ausgleich gegen die allzu hohe der Frau. »Wir haben uns den Garten angesehen. Ein schöner Garten, wirklich ein wunderbarer Garten. Es fehlt ein wenig an der Pflege, aber natürlich, das ist begreiflich…«
    »Sind Sie noch nie hier oben gewesen?« fragte Frau Witschi. Studer sah sie an. War die Frage eine Falle? Nein…wahrscheinlich nicht… Also hatte Sonja nichts von seinem Besuch erzählt. Übrigens wartete Frau Witschi gar nicht auf eine Antwort.
    – Wenn der Wachtmeister etwas zu fragen habe, so solle er nur eintreten… »Ich habe nichts zu verbergen«, sagte sie. »Nein, gewiß nicht.
Unser
Gewissen ist rein, was nicht alle Leute behaupten können.«
    Jetzt wurde Schreier blaß. Er zitterte. Merkwürdig, wie empfindlich diese anscheinend abgebrühten Burschen im Grunde waren!…
    »Ruhig, ruhig«, sagte Studer leise und legte die Hand auf die Schulter des Burschen. »Geh' wieder zurück. Ich dank' dir auch. Du hast mir viel geholfen. Leb' wohl«
    Schreier gab dem Wachtmeister schweigend die Hand. Die alte Frau grüßte er nicht.
    »
Sie
sind viel zu gut mit diesen Leuten, Herr Wachtmeister.« (Frau Witschi betonte das Sie, Studer sollte

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