Wachtmeister Studer
gesehen?«
»Selten. Der alte Ellenberger hat mir immer das Essen gebracht.«
Und er hat dir gesagt, du sollst das Auto vom Gemeindepräsidenten stehlen, dich in Thun erwischen lassen und dann versuchen, den Schlumpf zu bestimmen, ein Geständnis abzulegen?«
»Wie? Was?« fragte Augsburger. Er schien ehrlich erschrocken, und doch kam es Studer je länger je mehr vor, als ob der Bursche ein eingelerntes Theater spiele.
Du hast doch dem Schlumpf gesagt, er solle sich gestern zum Verhör melden, und dann dem Untersuchungsrichter sagen, er habe den Witschi umgebracht. Und du hast ihm doch einen sehr zwingenden Grund für dieses Geständnis angeben müssen. Ihm zum Beispiel sagen, man habe entdeckt, daß mit dem Mord nicht alles stimme, daß man an einen Selbstmord glaube und daß die ganze Familie in Gefahr sei, wegen Versicherungsbetrug verhaftet zu werden. Und daß es deshalb am besten sei, wenn der Schlumpf die Sache auf sich nehme. War's so? Das darfst du ruhig zugeben, wenn's so gewesen ist. Wir brauchen nur den Schlumpf zu fragen.«
»Das hätten wir vorher machen sollen«, sagte der Untersuchungsrichter seufzend. »Aber Sie sind immer so stürmisch, mein lieber Studer, ich komme gar nicht zu Worte.«
»Sie haben selbst gar nicht daran gedacht!« antwortete Studer kurz. »Aber wir können den Schlumpf ja immer noch holen lassen. Eine Konfrontation… Doch bevor wir zu dieser Konfrontation schreiten, habe ich dem Mann da noch ein paar Fragen zu stellen.«
Er schwieg und dachte nach.
»Der Revolver ist bei dir gefunden worden, Augsburger, du wirst nie beweisen können, daß du ihn vom Schreibtisch des alten Ellenberger fortgenommen hast. Das ist dir doch klar, oder? Ellenberger wird es aber leugnen. Du wirst nicht beweisen können, daß du in der Nacht vom Dienstag auf den Mittwoch im Bett gelegen bist. Oder wird der alte Ellenberger dir das bestätigen können?«
»Ich – ich glaub' schon.«
»Gut. Also wer hat dir den Auftrag für den Schlumpf gegeben? Red' doch.«
»Der – der Armin Witschi…«
»Und du hast sagen sollen, der Auftrag käme von seiner Schwester?«
»Ja.«
»Hast du allein mit ihm gesprochen? Mit dem Armin mein' ich?«
»Ja, es war niemand anderer dabei.«
»Woher hast du ihn gekannt?«
»Oh, so… Ich hab ihn gesehen… Früher schon.«
»Ich hätte gerne noch das gestohlene Auto gesehen; aber vielleicht hat es der Herr Gemeindepräsident schon geholt?«
»Ja, gestern.« Der Untersuchungsrichter nickte.
»Desto besser!« meinte Studer. »Sobald ich Neues weiß, berichte ich Ihnen. Übrigens, Sie können den Schlumpf wieder in eine Einzelzelle tun. Er wird nicht mehr probieren, sich aufzuhängen… Wiederluege mitenand!«
Das ›Mitenand‹ bereitete Studer eine besondere Freude.
Er lachte noch still, als er den Gang entlangging, um Sonja abzuholen.
Besuche
Sonjas Hände lagen auf Studers Schultern. Er fand diese Berührung angenehm. Auch hatte es aufgehört zu regnen, der Himmel war weiß. Die Brise wehte kalt, aber Studer fuhr mit dem Wind, da schadete es nicht viel. Ein guter Karren, den sich der Landjäger Murmann da zugelegt hatte. Er machte nicht viel Lärm. Wenn Studer auf die schwarze Asphaltstraße herniedersah, wurde sie von weißen Strichen gemustert. Es wäre alles gut und schön gewesen, aber der Wachtmeister fühlte sich nicht im Blei. Der Kopf schmerzte ihn, außerdem machte sich auf der rechten Seite der Brust, ziemlich weit unten, ein stechender Punkt bemerkbar. Bei der ersten Wirtschaft stoppte Studer, trat ein und bestellte einen Grog. Es war seine Universalmedizin.
»Von wo ist schon die Saaltochter?« fragte er, und die Worte kamen ein wenig schleppend aus seinem Mund.
»Welche Saaltochter?« fragte Sonja.
»Die vom ›Bären‹. Die Freundin von deinem Bruder.«
»Von Zägerschwil. Warum Wachtmeister?«
»Zägerschwil? Ist das weit?«
»Nicht gerade sehr weit«, sagte Sonja. Aber die Wege seien schlecht. Es sei so ein Krachen im Emmental. Auf einem Hügel…«
– Woher sie das wisse? – Armin habe einmal davon er zählt, er sei mit der Saaltochter an einem ihrer freien Tage oben gewesen. – Ja, ob der Armin denn das Meitschi heiraten wolle, es sei doch viel älter als der Bruder. Oder? – Das schon, aber die Eltern hätten Geld – und das Berti habe Erspartes. Armin sei schon ein paarmal bei den Eltern gewesen.
»Wollen wir die Eltern besuchen gehen?« fragte Studer und bestellte noch einen Kaffee-Kirsch. Man mußte sich stärken. Der
Weitere Kostenlose Bücher