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Wachtmeister Studer

Wachtmeister Studer

Titel: Wachtmeister Studer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Glauser
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Vater.‹ Aber dann war's vorbei mit ihrer Ruhe. Ich hab' die Mutter nie weinen sehen, auch damals nicht, als wir das ganze Geld verloren hatten. Sie hat immer nur geschimpft. Aber jetzt legte sie den Kopf auf den Tisch und ihre Schultern zuckten. ›Aber Mutter!‹ sagt der Armin. ›Es ist doch besser so!‹ – Da wird die Mutter bös, springt auf, läuft im Zimmer hin und her und sagt nur immer: ›Zweiundzwanzig Jahre! Zweiundzwanzig Jahre!‹«
    Man fühlte es, Sonja erlebte die ganze Szene noch einmal, sie sah alles vor sich. Ihre Lider waren gesenkt. – Lange Wimpern hatte das Mädchen…
    Studer träumte vor sich hin… Also war das Bild, das er sich gemacht hatte, damals, als er die Mutter Witschi besucht hatte, doch falsch gewesen… Er hatte den Tisch gesehen, die Leute darum: Anastasia Witschi redet auf ihren Mann ein, er solle kein Feigling sein… Gewiß, das war sicher alles so gewesen. Er hatte nur einen Menschen zuviel am Tisch gesehen: Sonja.
    Sonja wußte von nichts, man hatte ihr nichts erzählt, bis man sie vor eine vollendete Tatsache hatte stellen können… Und auch dann hätte sie sich vielleicht geweigert, wenn… wenn nicht die Romane gewesen wären:
    ›Unschuldig schuldig‹ hieß einer – Leute wie der Untersuchungsrichter hatten kein Verständnis für derartige Kompliziertheiten.
    Kompliziertheiten?…
    Einfach war es! Überwältigend einfach!
    Aber es schien, daß ein einfacher Fahnder solche Kompliziertheiten besser verstand als ein Studierter… Sonja war zur Gegenpartei übergegangen… Merkwürdig, es hatte damit begonnen, daß der Wachtmeister dem Mädchen die Tränen getrocknet hatte… Solche Dinge waren zart wie die Fäden, die im Altweibersommer durch die Luft fliegen; nachdenken durfte man über sie, aber von ihnen sprechen? Sicher, wenn man solches aussprach, bekam man das Zitat von Locard an den Kopf geschmissen… Mit Recht! Mit Recht!…
    Merkwürdig, wie Stimmen sich verändern konnten! Sonjas Stimme war tief und ein wenig heiser, als sie weiter erzählte:
    »Da sagt der Bruder: ›Du stehst ja gut mit dem Schlumpf. Ihr wollt euch ja sogar heiraten. Jetzt kann er zeigen, ob er dich wirklich gern hat. Du sagst ihm morgen, daß er sich verdächtig machen muß. Es muß so aussehen, als ob er den Mord begangen hätte… Bis wir die Versicherungen ausbezahlt bekommen haben… Dann werden wir schon sehen, daß wir ihn frei bekommen.‹ Ich hab' mich zuerst geweigert, aber nicht lange. Ich war ja so dumm. Ich hab' zuviel Romane gelesen. Und in den Romanen, da kommt ja immer vor, daß einer sich für eine Frau opfert, freiwillig ins Gefängnis geht, um sie nicht zu verraten. Wir haben dann noch alles besprochen. Ich sollte den Schlumpf am nächsten Abend aufsuchen, ihm die dreihundert Franken geben, dann sollte er in den ›Bären‹ und dort etwas trinken und eine Hunderternote wechseln. Der Bruder hat dann dem Murmann angeläutet…«
    Das Telephon, von dem Murmann gesprochen hatte! Die unbekannte männliche Stimme! Es war wirklich alles konstruiert wie in einem Roman… Man müßte noch mit dem Armin reden… Und welche Rolle spielte der Coiffeurgehilfe in der ganzen Angelegenheit? Gerber hatte ein Motorrad; ob er wohl auch ein Auto lenken konnte? Sicher! Man müßte wissen, was Cottereau, der Obergärtner, beim alten Ellenberger gesehen hatte, um von ein paar Burschen so übel behandelt zu werden… Studer geriet mehr und mehr ins Träumen. – Der alte Ellenberger hatte eine Waffe gekauft… Vielleicht doch zwei Schüsse? Hatte jemand beim Selbstmord nachgeholfen?… Vielleicht Witschis Arm gehalten?… Oder hatte Witschi daneben geschossen, und ein anderer…
    »Warum hast du dem Coiffeurgehilfen eigentlich den Füllfederhalter geschenkt?« fragte Studer in die Stille. Und dabei sah er den Gerber vor sich mit seinen allzu roten Lippen und mit seinem Mantel, der blaue Aufschläge trug.
    »Er hat uns damals in der Nacht zusammen gesehen, den Schlumpf und mich«, sagte Sonja leise. »Und er hat gedroht, er erzähle es dem Statthalter, daß der Schlumpf unschuldig ist…«
    »Wann hat er Euch gesehen?« Ganz scharf stellte Studer die Frage.
    »Am Unglücksabend, am Dienstag, um zehn Uhr, auf der andern Seite des Dorfes, gar nicht in der Nähe des Ortes, wo man den Vater gefunden hat…«
    »So«, sagte Studer. Dann vertiefte er sich wieder ins Schreiben. Der Untersuchungsrichter diktierte langsam. Studer kam gut nach.
    Aber es war dennoch ein mühseliges Tun. Der

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