Wächter der Menschheit - Green, S: Wächter der Menschheit - The Man with the Golden Torc
war deutlich vom Rest der Gebäude abgesetzt und vor den Blicken versteckt, ein gedrungenes Steingebäude mit Kreuzfenstern. Sie sah angelsächsisch aus, war aber tatsächlich eine Torheit aus dem achtzehnten Jahrhundert. Die Familie hatte jetzt ihre eigene Kapelle im Inneren des Herrenhauses, angenehm und friedlich und großzügig multikonfessionell, und das alte Gebäude war dem Verfall überlassen worden. Es wird gegenwärtig vom Familiengespenst, Jacob Drood, bewohnt, zänkischer alter geiler Bock, der er ist. Ich glaube, er ist mein Urururgroßvater - Genealogie war noch nie meine Stärke.
Im Großen und Ganzen ermutigt meine Familie Gespenster nicht zum Aufenthalt, sonst würden wir hüfthoch in den Dingern waten. Falls doch mal welche plärrend ins Herrenhaus zurückkommen, nachdem sie an der Front ihr Leben gelassen haben, werden sie verdammt schnell ins Jenseits weiterbefördert. Die Familie blickt streng nach vorn, nie zurück, und im Herrenhaus ist einfach kein Platz für Sentimentalitäten. Jacob darf weiter in der Kapelle bleiben aufgrund irgendeiner formalen Spitzfindigkeit, die ich nie richtig verstanden habe, hauptsächlich, weil es den wenigen Leuten, die Genaueres wissen, anscheinend zu peinlich ist, darüber zu reden. Alle Familien haben irgendeine sonderbare Leiche im Keller, und unsere ist halt Jacob. Ostentativ spricht die Familie schon seit Jahren nicht mehr mit ihm, und ihm ist das völlig schnuppe. Meistens sitzt er einfach in seiner Gespensterunterwäsche herum und schaut sich die Erinnerungen alter Fernsehsendungen in einem Gerät ohne Innenleben an. Hin und wieder hat er ein geisterhaftes Auge darauf, was die Familie vorhat, nur weil er weiß, dass er das nicht soll.
Jacob und ich sind immer prima miteinander ausgekommen.
*
Ich war acht, als ich ihn entdeckte. Cousin Georgie forderte mich dazu heraus, einen Blick durch das Fenster der verbotenen Kapelle zu werfen, und einer Herausforderung konnte ich noch nie widerstehen. Ich wurde erwischt (natürlich) und bestraft (natürlich) und mir wurde gesagt, dass die Kapelle und ihr Bewohner streng tabu waren. Anschließend konnte ich es nicht erwarten, ihn kennenzulernen. Ich wusste einfach, dass wir verwandte Geister waren. Also schlich ich mich in dieser Nacht hinaus und überfiel kurzum das alte Gespenst in seinem Bau. Er machte ein paar unbeholfene Versuche, mich zu verscheuchen, aber er war nicht mit dem Herzen dabei. Er hatte lange darauf gewartet, dass die Familie noch ein schwarzes Schaf wie ihn hervorbrachte. Wir wurden schnell warm miteinander, und danach konnte uns niemand mehr voneinander fernhalten. Die Familie versuchte es, aber Jacob kam mit großen Schritten aus der Kapelle und marschierte geradewegs in die Privatgemächer der Matriarchin, und was immer dort auch gesagt wurde, danach überließ man uns beide strikt uns selbst.
Jacob war vielleicht der einzige echte Freund, den ich damals hatte; mit Sicherheit der einzige, dem ich vertrauen konnte. Er ermutigte mich in all meinen frühen Auflehnungen und war als Einziger immer auf meiner Seite. Er war es, der mir sagte, ich solle bei der ersten Gelegenheit fortgehen. Er akzeptierte mich;
sagte, ich erinnerte ihn an ihn selbst als Teenager. Was eigentlich ziemlich beunruhigend war.
*
Die Kapelle sah so gedrungen und hässlich aus wie immer: unbehauene Steine, begraben unter dickem Efeugeflecht, das sich bedrohlich regte und wand, als ich mich der offenen Vordertür näherte - ein Bestandteil von Jacobs Frühwarnsystem. Ich tätschelte das Efeu und sprach ihm freundlich zu, und es entspannte sich wieder, als es meine Stimme wiedererkannte und sich erinnerte. Die Tür stand halb auf und klemmte, wie immer, und ich stemmte die Schulter dagegen. Das schwere Holz kratzte laut über den nackten Steinfußboden und wirbelte eine Staubwolke auf. Ich hustete und nieste ein paarmal und spähte in die Düsterkeit: Nichts hatte sich verändert.
Das Kirchengestühl war immer noch an der Wand gegenüber aufgestapelt, um Platz zu machen für Jacobs gigantischen schwarzen Ledersessel mit verstellbarer Rückenlehne, und neben diesem stand ein antiquierter Kühlschrank, der irgendwie immer mit ätherischem Alk gefüllt war. Vor dem Sessel thronte ein massiver alter Fernseher, auf dem echte Kaninchenohren aufgehäuft waren, um den Empfang zu verbessern. Jacob blickte sich nicht um, als ich näher kam. Er lümmelte sich knochenlos in seinem großen Sessel, eine graue, schmächtige
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