Wächter der Seelen / Gefährlich wie ein Engel. Roman
und Farnkraut überwuchert wurden. Aber auf einer schmalen Felsklippe über dem bewegten blauen Wasser blickte nun eine über drei Meter hohe Engelsstatue mit ausgebreiteten Flügeln hinauf in den Himmel. Vier einfache Namen waren in den Sockel geätzt. Keine Daten. »Es gefällt mir«, sagte Lachlan. »Es ist ein schönes Denkmal.«
»Wow, jetzt sind es zwanzig.«
Er seufzte. »Was soll ich deiner Meinung nach sagen?«
»Ich weiß nicht. Mehr. Du hast die Last ihres Todes über vierhundert Jahre lang auf deinen Schultern getragen, und heute jährt sich der Tag ihrer Ermordung. Fühlst du denn überhaupt nichts?«
»Ich fühle jede Menge. Dank dir.«
Rachels Wange ruhte noch immer an seinem Herzen, er spürte, dass sie lächelte. Dann hörte er sie sagen: »Na los. Dann erzähl es mir.«
Lachlan atmete tief ein und ließ die Luft langsam wieder entweichen. »Es ist das erste Mal seit dem Überfall damals, dass ich meinen Fuß wieder auf dieses Land setze«, begann er. »Von dem kurzen Augenblick mit Drusus einmal abgesehen. Früher hätte ich es nicht ertragen, im vollen Bewusstsein dessen, was ich getan habe, zurückzukehren. Aber die Schuldgefühle haben nachgelassen. Es gefällt mir nicht besonders, mir einzugestehen, dass ich die Marionette eines Dämons war, aber … ich bin dabei, mich damit abzufinden.«
»Aber du fühlst noch etwas anderes, wenn du das Denkmal ansiehst, nicht wahr? Was ist es?«
Die Erinnerung, die am Ufer des Lochs in ihm aufgestiegen war – daran, wie seine beiden ältesten Kinder lachend flache Steine über den See hatten springen lassen –, erschien erneut vor Lachlans geistigem Auge. Endlich konnte er die Gedanken zu all den schönen Erlebnissen mit seiner Familie schweifen lassen, ohne von Reue übermannt zu werden. Er drückte Rachel an sich. »Die Sehnsucht nach der Vergangenheit. Das Zerren bittersüßer, alter Erinnerungen – nicht mehr und nicht weniger. Das schwöre ich.«
Sie erstarrte. »Ich bin nicht eifersüchtig.«
»Bist du sicher?«
»Ich
war
eifersüchtig«, gab Rachel zu. »Und hey, sei mir nicht böse, aber ich hatte allen Grund dazu. Du hast mir ins Gesicht geschaut und gesagt, dass du nur in die Höhle hinuntergestiegen seist, um sie zu retten – nicht Em und mich.«
»Ich habe gelogen, um euch vor Drusus zu schützen.«
Rachel sah lächelnd zu ihm auf. »Ja, ich weiß. Und du hast beeindruckende Anstrengungen unternommen, diese Lüge wieder auszubügeln, seitdem wir verheiratet sind.«
»Ich kann das noch besser.« Auf Lachlans Gesicht legte sich ein breites, anzügliches Grinsen. »Noch viel, viel besser.«
»Mmh. Klingt vielversprechend.« Lächelnd machte sie sich von ihm los und bückte sich. »Lass mich nur rasch mein Malzeug zusammenpacken, dann gehen wir zurück ins Hotel.«
»Nein, nicht ins Hotel«, widersprach Lachlan. »Wohin man in diesem Dorf auch blickt, überall findet man das Wappen der Campbells. Die MacGregors sind bereits lange in Vergessenheit geraten. Ich will die Vergangenheit gern hinter mir lassen, trotzdem werde ich unsere Zukunft nicht in einem Campbell-Bett beginnen, ganz gleich, wie schön es ist.«
»Äh, im Prospekt steht, das Dorf sei aus dem viktorianischen Zeitalter. Und das Hotel gehört keinem Campbell.«
»Zur Hölle mit dem Prospekt. Als ich ein Junge war, herrschten die Campbells über das Dorf, und ich habe ihren Gestank noch immer in der Nase. Aber das hier ist MacGregor-Land. Genau hier unter unseren Füßen.«
Rachels Augenbrauen flogen in die Höhe. »Du willst doch nicht etwa …«
»Doch, genau das will ich.«
Sie sah sich mit weit aufgerissenen Augen um. »Im Freien? Mit Em und Carlos in Hörweite? Bist du verrückt?«
»Nein, ich bin nicht verrückt. Nur wahnsinnig verliebt. In dich.«
Ihr Blick wurde weich. »Ja, schon, aber –«
Endlich konnte Lachlan dem Drang nachgeben, dem er die ganze Zeit widerstehen musste, seit er Rachel zum ersten Mal gesehen hatte – und so hob er sie hoch und warf sie sich über die breite Schulter, ohne auf Rachels Protestgeschrei zu achten. Manchmal waren die alten Methoden immer noch die besten.
»Carlos!«, rief er. »Pack Rachels Sachen und fahr mit Emily ins Dorf zurück. Rachel und ich gehen ein wenig die Sehenswürdigkeiten betrachten.«
Emilys Schnauben war deutlich zu hören.
»Sehenswürdigkeiten?«, zischte Rachel. »Ist dir nichts Besseres eingefallen?«
»Sie werden es schon schlucken.« Lachlan verließ den Kiesweg und ging Richtung
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