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Wände leben - Samhain - Ferner Donner

Wände leben - Samhain - Ferner Donner

Titel: Wände leben - Samhain - Ferner Donner Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Clauß
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über Disziplinarstrafen Gedanken zu machen. Jetzt fürchtete er um sein Leben. Ganz gleich, ob dieser Wagen im technischen Sinne defekt war, oder ob ein Fluch auf ihm lag (selbst das erschien ihm in diesen Sekunden fast plausibel) – das Auto würde sein Sarg werden, wenn er nicht schnell etwas unternahm.
    Bei dieser Geschwindigkeit und gedrücktem Gaspedal auf die Bremse zu steigen, war riskant. Er versuchte es behutsam. Die Reifen qualmten, und der Wagen wurde etwas langsamer. Rick schaltete die Alarmblinkanlage ein, doch sie schaltete sich von alleine wieder aus. Der Knopf hatte sich weich angefühlt. Mehrmals trat er das Gaspedal ganz durch, um es zu lösen, falls es irgendwo festklemmte. Es half sogar. Der Ferrari verlor nun beständig an Geschwindigkeit – die Tachonadel zitterte auf die 60 zu. Rick warf einen Blick in den Spiegel (der sich zu wölben schien), und als er dort kein Auto sah, trat er hart auf die Bremse. Der Wagen brach nicht einmal aus, sondern lief wie auf Schienen weiter, verzögerte und kam schließlich fast zu Stehen.
    Nun zerrte der Fahrer am Lenkrad, um das Auto auf den Seitenstreifen zu steuern. Die Lenkung blockierte. Voller Panik drückte Rick die Bremse vollends durch, der Motor erstarb, und der Wagen stand still. Mitten auf der rechten der zwei Fahrspuren für diese Richtung! Rick drehte den Zündschlüssel, doch der Motor weigerte sich anzuspringen. Im Rückspiegel sah er, wie sich in der Ferne zwei Autos näherten, ein Laster rechts, ein Personenwagen auf der Überholspur.
    Rick löste seinen Gurt. Instinktiv wollte der junge Beamte die Tür aufstoßen und sich aus dem Ferrari stürzen. Er hatte schon die Hand am Türöffner, da überlegte er es sich anders. Wenn er ausstieg, dann auf der rechten Seite. Er kroch auf den Beifahrersitz. Das war nicht so einfach. Der Ferrari war niedrig und eng. Fast wie bei einem Rennwagen war jeder überflüssige Kubikzentimeter Raum eingespart worden. Das Auto kam ihm vor wie eine Falle, eine wunderschöne Falle, die man leicht betreten, aber viel zu schwer wieder verlassen konnte.
    Den Truck konnte er jetzt hören. Der Personenwagen jagte mit gedrückter Hupe an ihm vorbei. Der blökende Lärm ging ihm durch Mark und Bein und erschien ihm wie der Ruf eines den Tod ankündigenden Vogels. Wie weit war der Lastwagen noch entfernt? Er musste doch bremsen, wenn er sah, dass ein Wagen auf der Spur stand. Natürlich würde nichts geschehen. Aber – was war schon natürlich in dieser Situation?
    Der Beamte konnte noch etwas anderes hören.
    Ein dumpfes Pochen, als klopfe jemand von innen gegen den Kofferraumdeckel.
    Rick bekam die Beifahrertür auf und krabbelte hinaus. Der Truck kam mit enormer Geschwindigkeit auf ihn zu, scherte im letzten Moment auf die Überholspur aus und donnerte hupend an ihm vorbei. Er konnte sogar sehen, wie der Fahrer ihm den Vogel zeigte.
    Atemlos kam der junge Polizist auf die Beine, taumelte auf den Standstreifen, sah den Ferrari an. Von außen war seine silberne Karosserie noch immer Verführung pur, eine schillernde Rüstung, in der sich ein wankelmütiges Geschöpf verbarg.
    Und jetzt? Die Beifahrertür stand noch offen. Aber Rick war fest entschlossen, sich kein zweites Mal in den Wagen zu setzen. Er tastete nach seinem Handy. Es blieb ihm nichts anderes übrig, als seine Kollegen von der Verkehrspolizei zu informieren.
    Das ganze würde ein Nachspiel von ungeheuren Ausmaßen haben. Er konnte sich glücklich schätzen, wenn man ihn die nächsten Jahre die Papierkörbe seiner Kollegen leeren ließ. Er hatte das Handy schon eingeschaltet, als ihm einfiel, dass er zunächst Sicherheitsvorkehrungen treffen musste. Ein Warndreieck aufstellen, das war das mindeste, was er tun konnte. An dieser Stelle lag die Geschwindigkeitsbegrenzung bei 120 Stundenkilometern. Die Strecke war zwar gerade und übersichtlich, aber dennoch …
    Um an das Warndreieck zu kommen, musste er den Kofferraum öffnen.
    Es gab in diesen Momenten nichts, was er weniger gern getan hätte. Nur zögerlich ging er zum Heck des Wagens. Fahrzeuge näherten sich und fuhren vorüber. Neun von zehn ließen es sich nicht nehmen, auf die Hupe zu drücken. Rick Aufdemberg holte tief Luft und tastete nach dem Griff des Kofferraums.
    Er hatte den Toten gesehen, und obwohl er beobachtet hatte, wie Heinrich Senk auf eine Bahre gelegt und mit einem Laken zugedeckt worden war, nachdem man vergeblich versucht hatte, ihn wiederzubeleben, erwartete er, ihn noch einmal zu

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