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Wäre ich du, würde ich mich lieben (German Edition)

Wäre ich du, würde ich mich lieben (German Edition)

Titel: Wäre ich du, würde ich mich lieben (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Evers
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Großmutter also früher immer gemacht. Damals, in ihrer Kindheit. Wusste ich gar nicht. Ich weiß so wenig über meine Großmutter. Da kauf ich doch jetzt zumindest diese Marmelade, damit ich mal so einen Eindruck habe, wie das Frühstück in der Kindheit meiner Großmutter eigentlich geschmeckt hat. Um dann festzustellen: Nicht gut! Das Frühstück meiner Großmutter, also zumindest die Marmelade, hat offenkundig gar nicht gut geschmeckt! Und dann schreibt man dieser Firma, dass das ja wohl Betrug sei. Eine solche Marmelade habe es zu Zeiten der eigenen Großmutter bestimmt noch nicht gegeben.
    Die Firma aber schreibt tatsächlich spitzfindig zurück: «Ja, das stimmt vielleicht. So eine Marmelade hat es zu Zeiten Ihrer Großmutter in Deutschland womöglich wirklich noch nicht gegeben. Zu Zeiten heutiger Großmütter jedoch gibt es sie aber sehr wohl, und ‹Großmutters Zeiten› ist eben ein relativer Begriff, da es auch heute wieder neue Großmütter gibt, die jetzt ihre Zeiten erleben. Deshalb kann man natürlich im Prinzip auch bei Dingen, die jetzt erfunden werden, ‹aus Großmutters Zeiten› sagen, weil es ja zu allen, auch heutigen Zeiten – eben immer – Großmütter gibt.»
    Fraglos eine logisch-analytische Argumentationslinie, die man einer Fruchtmarmeladenfirma so gar nicht zugetraut hätte. Wobei man noch froh sein muss, dass die nur mit Marmeladen handeln und nicht mit amerikanischen Hypotheken oder griechischen Staatsanleihen. Denn jemandem, der so argumentieren kann, würde man vermutlich alles abkaufen: «Guck mal hier, Facebook-Aktien aus Großmutters Zeiten! Nach traditionellem Rezept! Das klingt ja lecker! Und bewährt! Das nehmen wir doch mal mit!»
    Die Sortimentsmarmeladengläser bleiben übrigens für immer im Kühlschrank. Nur einmal geöffnet, für schlimm befunden, wieder zugeschraubt und ab ins Sortiment. Wenn überhaupt, kommen sie nur noch mal dran, wenn groß aufgefahren wird. Man ein gigantisches Angeberfrühstück veranstaltet und aller Welt zeigen will, wie viele Marmeladen man besitzt. Der Marmeladenkrösus von Berlin! Oder wenn nichts mehr da ist. Die Reste der Reste aktiviert werden.
    Das Einzige, was für eine Marmelade ähnlich schlimm ist, wie eine Sortimentsmarmelade im Wartestand zu sein, ist: dem aktiven Sortiment anzugehören. Dann wird man zwar auch niemals geöffnet und gegessen, aber trotzdem jedes Mal mit rausgestellt. Bei jedem Frühstück, Zwischendurchsnack oder Abendessen muss man ran. Jedes Mal neue Hoffnung, die sich aber nie erfüllt. Ab und zu wird man sogar mal in die Hand genommen, aber nur, um erschrocken und ruckartig wieder zurückgestellt zu werden. Das ist mit das Demütigendste, was es für eine Marmelade gibt.
    Natürlich sind die Sortimentsmarmeladengläser daher sehr verbittert. Niemals würden sie freiwillig den Blick freigeben auf die drittel volle Tube Senf. So sind sie. Selbst hier, in dieser Geschichte, wo es doch eigentlich um die drittel volle Tube Senf gehen sollte, haben die Sortimentsmarmeladengläser es wieder geschafft, dass nur über sie geredet wurde. Ja sogar die Überschrift gehört ihnen. Das ist fast wie in den Fernsehtalkshows, wo quasi auch immer nur die Sortimentsmarmeladengläser sitzen und über sich selbst reden, während man von den wahren Problemen der drittel vollen Tuben Senf nie etwas mitbekommt. Und darum, wer also die Zeit hat, der sollte doch einmal kurz hinter die Sortimentsmarmeladengläser im Kühlschrank schauen, ob da nicht eine kleine drittel volle Tube Senf verschüttgegangen ist. Die würde sich vermutlich aufrichtig freuen.

Alltägliche Verantwortung
    Als ich am Morgen die Haustür öffne, liegt eine Leiche im Treppenhaus.
    Denke: Oh, nee. Wenn ein Tag schon so losgeht, hat man ja gleich keine Lust mehr. Würde man am liebsten direkt zurück ins Bett. Was das jetzt wieder für ein Gerenne gibt. Mit der Polizei und hin und her und Verhör. Dann aufs Präsidium und noch mal identifizieren, und die Angehörigen wollen sicher auch mit mir reden. Wie ich ihn gefunden habe. Ob er friedlich oder sogar glücklich ausgesehen hat. Wenn es blöd läuft, fehlt am Ende auch noch was. Bargeld oder so. Wahrscheinlich werde ich dann verdächtigt. Von der Polizei, den Angehörigen oder, schlimmer noch, vom organisierten Verbrechen, dem eigentlich das Geld gehört und das sich jetzt an mich hält. Das fehlte mir noch.
    Mache die Tür wieder zu. Werde einfach ein paar Minuten oder Stunden warten, bis einer der Nachbarn die

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