Wäre ich du, würde ich mich lieben (German Edition)
bei.
GRANDEZZA
Vorsicht ist besser als Komfort
Ich habe eine elektrische Zahnbürste zu Weihnachten geschenkt bekommen. Vorher habe ich noch nie eine elektrische Zahnbürste benutzt. Ich persönlich hätte wohl auch nie die Idee gehabt, elektrische Zahnbürsten zu erfinden. Mir schien es noch nie besonders anstrengend, weder für Hand noch Handgelenk, die Zähne zu putzen. Meiner Meinung nach ist das überhaupt keine schwere Arbeit, die einem eine Maschine abnehmen muss. Den Müll runtertragen finde ich deutlich schwerer. Falls mal jemand einen elektrischen Mülleimer erfinden würde, der selbständig in den Hof runtergeht und sich ausleert – das wäre durchaus eine echte Erleichterung. Oder noch besser: Dieser Mülleimer läuft gleich bis zur Deponie. Dann könnte er auch Batterien oder Energiesparlampen mitnehmen und auf dem Rückweg Zeitung und Brötchen besorgen. Warum bekomme ich nie so was geschenkt?
Wobei, wahrscheinlich wäre es mir auch gar nicht recht, wenn der Mülleimer die Brötchen mitbringen würde. Wäre ja doch eher unappetitlich. Es sei denn, man entwickelt einen vollkommen reinlichen Mülleimer. Einen, der sich selbständig sauber macht und hygienisch einfach tipptopp verhält.
Das wäre in der Tat großartig, denn dann könnte der ja auch einkaufen gehen. Und wenn er außerdem noch das zusätzliche Board im Badezimmer anschrauben würde, das wir jetzt plötzlich brauchen, damit ich da meine völlig unnütze neue elektrische Zahnbürste hinstellen kann, dann würde ich sagen: Endlich mal ein neues Gerät, das auch mein Leben ohne Frage erheblich verbessert.
Andererseits, wenn es das wirklich gäbe, also laufende Mülleimer, die sich selbständig runterbringen und leeren, sich sauber halten, waschen und pflegen, Einkäufe erledigen und kleinere Handwerksarbeiten in der Wohnung übernehmen, welche Frau würde dann überhaupt noch mit einem Mann zusammenleben wollen und warum?
Vermutlich ist dies der einzige Grund, weshalb solche Mülleimer noch nicht erfunden wurden. Weil die Männer sonst in unserer Gesellschaft massiv an Bedeutung verlieren würden. Wahrscheinlich ist das auch der Grund, weshalb noch niemand ein Gerät erfunden hat, das nachts schnarcht und tagsüber ohne System getragene Socken und sonstige Wäsche über den Fußboden der Wohnung verteilt.
Das ist nämlich immer die größte Gefahr von jedwedem technologischen Fortschritt. Wenn man nicht aufpasst, kann man sich da schnell selbst überflüssig machen. Dann heißt es plötzlich: «Wir brauchen hier niemanden mehr, der behauptet, er würde arbeiten, und dabei langsam wegdöst. Da haben wir jetzt eine Maschine für!»
Sortimentsmarmeladengläser
Ganz hinten im Kühlschrank, also hinter den Brotaufstrichdosen, den aktiven Marmeladengläsern und den Sortimentsmarmeladengläsern, liegt eine drittel volle Tube Senf. Die gehört da nicht hin, die drittel volle Tube Senf. Das weiß sie selbst eigentlich auch. Aber was nützt ihr das? Sie ist runtergefallen. Hinter die Sortimentsmarmeladengläser. Das ist das Ende. Wer hinter die Sortimentsmarmeladengläser fällt, der ist quasi verloren. Für immer verschollen. Es gibt wohl nichts, was drittel volle Senftuben so sehr fürchten, wie hinter die Sortimentsmarmeladengläser zu fallen. Denn die Sortimentsmarmeladengläser sind stumme Zeugen völlig verfehlter Haushalts- und Einkaufsplanung. Der Fehlkäufe, der Experimente, der Weil-das-irgendwie-so-lustig-klang-Versuche. Wie beispielsweise «bittere Ingwer-Rosen-Orangen-Marmelade, nach einem althergebrachten, traditionellen Rezept aus Großmutters Zeiten». So steht es auf dem Etikett. Wo man sich selbst fragt: Wie, bitte schön, konnte man darauf reinfallen? Ein traditionelles Rezept aus Großmutters Zeiten? Als ob es zu Großmutters Zeiten schon bittere Ingwer-Rosen-Orangen-Marmelade gegeben hätte. Woher soll dieses Rezept sein? Wessen Großmutter hat denn bitte solche Marmelade gemacht?
Genauso gut könnte ein Internetdienstleister werben mit «traditionelles Webdesign seit 1885 ». Wobei man im Internet natürlich mittlerweile grundsätzlich misstrauisch ist. Bei allem. Man würde da wahrscheinlich denken: Woher wissen die, dass ich traditionelles Webdesign von 1885 mag? Woher haben die meine Daten? Diese Schweine! Da würde solch eine Werbung womöglich nach hinten losgehen.
Aber im Supermarkt ist man noch gutgläubig. Da überblickt man das nicht so schnell. Man denkt erst mal: Ach guck, solche Marmelade hat meine
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