Wäre ich du, würde ich mich lieben (German Edition)
Für ihn doch auch ganz schön. Und so gesund.»
Rufe noch mal: «Ich will nicht ins Schwimmbad!»
Niemand hört mich. Die Eltern unterhalten sich angeregt und verlassen den Klassenraum: «So eine schöne Abwechslung, auch für ihn, ins Schwimmbad, der hat aber auch immer ein Glück.»
Die Tür fällt ins Schloss. Dann höre ich, wie sie schnell und kichernd weglaufen.
Meine Freundin ist am nächsten Abend total überrascht. «Hätte ich ja nicht gedacht. Du erklärst dich tatsächlich bereit, mit den Kindern ins Schwimmbad zu gehen?»
«Ich hab mich nicht bereit erklärt.»
«Die anderen sagen, du freust dich da total drauf.»
«Ich freue mich auf gar nichts, mir hört bloß keiner zu.»
«Also bitte, alle anderen sagen, du freust dich total. Nur du musst natürlich wieder deine Extrameinung haben. Hältst du es nicht für möglich, dass auch einmal die gesamte restliche Welt im Recht ist und ausnahmsweise du dich täuschst?» Sie lacht.
Na toll, da offensichtlich wirklich alle – außer mir – großen Spaß daran haben, wenn ich mit den Kindern ins Schwimmbad gehe, mache ich es eben. Wenn es furchtbar wird, habe ich wenigstens recht gehabt. Ein schlimmer halber Tag für einmal recht haben, das ist ein akzeptabler Kurs.
Rund zwei Wochen später bekomme ich am U-Bahnhof Möckernbrücke neun zehnjährige Kinder angeliefert. Nach dreißig Minuten bin ich mir nicht mehr sicher, ob der Kurs wirklich so gut ist.
Am Kottbusser Tor bemerkt Sergej, dass er seinen Schwimmbeutel auf der Bank an der Möckernbrücke liegen gelassen hat. Alle steigen aus und fahren die drei Stationen zurück. Dort wartet schon ein Mann vom Wachschutz neben dem Schwimmbeutel. Er schimpft, redet von Bombengefahr. Wären wir nur fünf Minuten später gekommen, hätte er die Linie 1 sperren und den Beutel sprengen lassen. Dabei zwinkert er mir zu, die Kinder jedoch sind fasziniert.
Ich erkläre, es seien nur Schwimmsachen im Beutel.
Er lächelt: «Ah, tagsüber schwimmen gehen können. Ja, so gut möchte ich es auch gern mal haben.»
Nachdem wir zwei Stationen gefahren sind, teilt mir Karoline mit, jetzt habe sie ihren Schwimmbeutel liegen lassen. Allerdings absichtlich. Sie wolle das mit dem Sprengen mal sehen. Die Schwimmsachen habe sie deshalb auch extra vorher rausgenommen.
Die anderen Kinder sind begeistert. Wir steigen am Kottbusser Tor wieder aus und fahren erneut zurück.
Karoline fällt ein, dass ihr Name auf dem Beutel steht. Mitja vermutet, das sei ein Hinweis, mit dem die Polizei eine Beziehung zwischen dem Beutel und Karoline herstellen könne. Karoline wird unruhig.
An der Möckernbrücke ist weit und breit kein Beutel zu sehen. Jetzt weint Karoline. Ich beruhige sie, erkläre, dass vermutlich jemand den Beutel mitgenommen oder weggeworfen hat. Die Kinder jedoch sind nicht dieser Meinung. Sie verkünden lautstark, die Polizei suche sicher bereits nach Karoline. Akin weiß, dass in solchen Fällen direkt Interpol eingeschaltet wird, und Leo rät der zehnjährigen Karoline, vorerst lieber nicht mehr mit Kreditkarte zu zahlen oder irgendwo Fingerabdrücke zu hinterlassen.
Trotz allgemeiner höchster Erregung kann ich die Kinder überreden, ein drittes Mal Richtung Schwimmbad zu fahren.
Warum tue ich das?
Karolines Mutter ruft auf meinem Handy an. Sie habe auf dem Weg zur Arbeit am U-Bahnhof Möckernbrücke den leeren Schwimmbeutel ihrer Tochter gefunden. Nun mache sie sich ein wenig Sorgen, ob bei uns alles in Ordnung sei.
Sage den einzigen Satz, den besorgte Mütter hören wollen: «Hier ist alles super, nur Karoline vermisst ihre Mutter ein bisschen.» Ein Satz, mit dem ich immer, bei allen Müttern, auf sehr gute Resonanz gestoßen bin.
Die Mutter lacht: «Ach ja, ihr habt bestimmt einen Mordsspaß, und da kann so ein Schwimmbeutel schon mal hopsgehen. Tagsüber schwimmen gehen können, so gut möchte ich es …»
Ich lege auf.
Zehn Minuten später sind wir tatsächlich am Schwimmbad angekommen. Ich bin erleichtert. Aber nur für sehr kurze Zeit. Denn bald schon werde ich mir wünschen, wir hätten den gesamten Tag zwischen Möckernbrücke und Görlitzer Bahnhof in der Hochbahn verbracht.
Das Schwimmbad ist voll. Aber so richtig voll. Logisch, schließlich ist Studientag, und deshalb sind jede Menge verbitterter Eltern mit ihren und anderen Kindern mal tagsüber im Schwimmbad.
Schon als wir den Umkleidebereich betreten, schlägt uns die erste Wolke warme, feuchte Schwimmbadluft entgegen. Es setzt direkt
Weitere Kostenlose Bücher