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Wärst du doch hier

Wärst du doch hier

Titel: Wärst du doch hier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Graham Swift
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tolerieren können. Schließlich hatten sie es selbst so gewollt. Wenn sie zu hohe Erwartungen hatten, so war es ihre eigene Schuld. Andererseits, wenn ihre Hoffnungen sich erfüllten und alles so aufging, wie sie es sich vorgestellt hatten, dann hätte sich das Warten gelohnt. Unterdessen warensie guter Hoffnung auf anderem Gebiet   – noch dazu ziemlich unerwartet   –, denn sie bekamen ihr drittes Kind, ein Mädchen, nach den beiden Jungen, und Clare war irgendwie überzeugt, dass es allein deshalb dazu gekommen war, weil ihr »Haus auf dem Lande« für sie bereit stand. Denn von allen anderen Vorzügen abgesehen war es auch ein perfektes Paradies für ihre Kinder. Ein drittes Kind würde das Unterfangen umso eher rechtfertigen und ihre weitreichenden Intentionen sanktionieren. Und da die kleine Rachel sehr viel Zeit in Anspruch nahm, schien die fortwährende Verschiebung ihres »Einzugs« eher eine praktische Folge. Sobald Rachel alt genug war, es mitzuerleben, würden sie einziehen.
    Sie begannen Witze zu machen über ihren »Jahrtausendplan«   – würden sie
vor
dem Jahrhundertwechsel einziehen oder danach?   –, doch dann war die Aufregung groß, und es spielte keine Rolle mehr, wie viel Zeit und Geld sie dafür aufgewendet hatten, als endlich die Fertigstellung nahte und sie sahen, was für fantastische Dinge sie zuwege gebracht hatten. Endlich zogen die Bauarbeiter ab, und im Herbst 1999 war es so weit, dass sie »einzogen«, obwohl ihr erster richtiger Aufenthalt erst im darauffolgenden Sommer stattfand.
    Im Frühling des nächsten Jahres hatte ihr Mann gesagt, der Ausbruch der Maul-und-Klauenseuche sei nicht ihr Problem und würde schnell verwehen. Außerdem
müssten
sie nicht dort sein, was ja gerade das Schöne daran sei (ein Argument, das Clare eher traurig fand), es war ja ihr Zweithaus. Und sie waren auch nicht dort. Es war ein Zugeständnis, natürlich, und außerdem ziemlich ärgerlich. Im sicheren Schutz ihres Wohnzimmers in Richmondsahen sie im Fernsehen Bilder von riesigen Haufen von Rindern, die verbrannt wurden. So war es am besten. Es hatte wirklich nichts mit ihnen zu tun. Man würde sie für unempfindsam halten, wenn sie jetzt nach Devon führen. Und bis zum Sommer wäre die Sache sicherlich aus der Welt.
    Doch auch aus der Entfernung hatte es Clare nicht gefallen, dass diese Ereignisse sich in so offensichtlicher und beunruhigender Nähe ihres neuen Eigentums abspielten. Sie hatte das Gefühl, als wäre sie doch in Devon. Sie mochte nicht daran denken, dass der Rauch von den riesigen Scheiterhaufen mit dem Wind zu ihrem Haus, dem Jebb House, getragen wurde. Die Bemerkung ihres Mannes, die Sache würde verwehen, war unpassend gewesen. Ihr kam es wie eine Kontaminierung vor. Und obwohl es nicht logisch war und Toby nur gespottet hätte, empfand sie es als etwas, wofür sie sich verantwortlich fühlen und weswegen sie milde Schuldgefühle haben sollten, was nicht in gleicher Weise auf die BS E-Geschichte zutraf, die sich vor ihrer Zeit, wenn man so wollte, zugetragen hatte.
    Mrs.   Robinson war froh, als die Sache tatsächlich, insoweit sie davon berührt waren, »verwehte«. Vielleicht war sie überempfindlich gewesen. Und als später im selben Jahr etwas viel Schlimmeres   – viel schlimmer für die Welt als Ganzes   – passierte, war sie längst nicht so beunruhigt, wie sie es möglicherweise gewesen wäre, wenn ihnen ihr »Sommersitz« noch nicht voll und ganz zur Verfügung gestanden hätte. Sie hatte das Gefühl, das ganze Unternehmen sei nun rundum gerechtfertigt. Sie war froh und erleichtert. Als die beiden Flugzeuge in die Türme flogen,damals im September, sagten alle, die Welt habe sich verändert, sie würde nie mehr so sein wie vorher. Aber für sie war es, wenn sie ehrlich sein sollte, weniger bestürzend als die Maul-und-Klauenseuche davor und die dazugehörenden Fernseh-Rauchwolken. Schließlich hatten sie jetzt ihr Refugium, ihren Ort in grüner Sicherheit. Es war eine gute Entscheidung gewesen.
    Eine der großen Fragen, die sie und Toby damals zu klären hatten, war die Wahl eines Ferienorts: Sollten sie ihre Ferien an exotischen Orten irgendwo in der Welt verbringen (was ihnen sehr gut gefiel) oder sollten sie alles auf eine Karte setzen und sich für Devon entscheiden. Es brächte bestimmte Einschränkungen mit sich, nicht zuletzt die des englischen Wetters. Andererseits, mit Kindern in diesem Alter   – selbst vor dem neuen Baby   – brachten auch

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