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Wärst du doch hier

Wärst du doch hier

Titel: Wärst du doch hier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Graham Swift
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schnell aus dem Haus zu haben, und fast empfand sie es als Erleichterung, als er in den Dorfbriefkasten fiel. Niemand sonst hatte etwas davon mitbekommen.
    Dann, nur wenige Tage später und zurück in Richmond, hatte sie die Zeitung überflogen und einen Namen und ein Gesicht gesehen, und diesmal spürte sie einen wahrhaftigen Schauder. Wieder war es der Name Luxton, und das Gesicht war ihr vage vertraut, obwohl es eindeutignicht das Gesicht des Farmers war. Einen Moment lang hatte das kalte Gefühl seinen Schwerpunkt in ihrer Hand.
    Sie wünschte sich umgehend, sie hätte den Namen in der Zeitung nicht gesehen. Wie oft wirft man einen Blick in die Zeitung und sieht nicht die Hälfte von dem, was drinsteht, und was man nicht sieht, kann einen nicht beunruhigen. Aber sie hatte es gesehen. Und daran konnte man wirklich nichts ändern.
    Doch sie war zutiefst verstört. Zumindest Toby gegenüber sollte sie es erwähnen, fand sie. Hatte er die Meldung gesehen   – und denselben Schluss gezogen? Aber sie wusste, wenn sie es erwähnte, würde er sagen, er habe die Meldung nicht gesehen, oder aber der Name habe ihm nichts gesagt, ob es nun so war oder nicht. Und sie wusste auch, dass er, wenn sie ihm den Sachverhalt erklärte (oder ihm sogar von dem weitergeleiteten Brief erzählte) lediglich mit den Schultern zucken würde. Na und? Vielleicht würde er sie sogar ansehen, als hielte er ihr Verhalten für ziemlich merkwürdig.
     
    Die Robinsons hatten sich, wie Jack noch wusste, sehr um »Sicherheit« besorgt gezeigt (es war eins ihrer Wörter), und ein deutlicher Beweis ihrer Besorgnis war das schwere weiße Tor mit den eingebauten elektronischen Elementen. »Einlasskontrolle«, hatte Jack einen Moment lang gedacht. Aber die Robinsons hatten überlegt, dass ein Tor, das sich nicht öffnen ließ, zwar motorisierte Eindringlinge abschrecken würde, für solche aber, die zu Fuß kamen, kein Hindernis bildete. In einem solchen Fall   – und angenommen, die Eindringlinge würden dieAlarmanlage im Haus und auf dem Grundstück auslösen   – war es für Zeiten, in denen die Robinsons nicht anwesend waren, wichtig, dass die Polizei das Tor öffnen und die Diebe auf frischer Tat ertappen konnte.
    So kam es also, dass Sergeant Ireton, ebenso wie die Robinsons, die Mittel besaß, das Tor zu öffnen, und rein technisch gesehen hätte er sich   – wäre Jack an jenem Morgen in einem spontanen Beschluss über das Tor geklettert   – genötigt sehen können, den Mann zu verhaften, mit dem zusammen er, quasi Minuten zuvor, einen Sarg getragen hatte. Andererseits wäre es denkbar gewesen, dass Bob, hätte Jack ihn gefragt, ob er einen kurzen Blick auf das alte Haus werfen dürfe, gesagt hätte: »Natürlich. Ich kann dir das Tor aufmachen. Ich kann sogar die Alarmanlage außer Kraft setzen.«
    Sicherheit im weitesten Sinne   – Sicherheit in Bezug auf Einkommen, Lebensunterhalt, das Leben selbst   – war in den Landstrichen, die zunächst von BSE und dann, Jahre später, von der Maul- und Klauenseuche heimgesucht wurden, ein wichtiges Anliegen. Sicherheit indes in dem Sinne, wie die Robinsons es meinten und wie es einen Ortspolizisten betreffen konnte, war etwas ganz anderes. Bob Ireton hätte vielleicht gesagt, die Robinsons hätten diese Einstellung aus London mitgebracht, aber er hätte auch sagen können, dass es, so wie die Rinderkrankheiten, etwas war, das sich über die Luft hinweg verbreitete. Das Gefühl, dass nichts ausgenommen war, auch stille, grüne Gegenden tief in der Landschaft nicht. Natürlich gab es in Marleston und Polstowe gelegentlich Vorfälle, aber erst in letzter Zeit hatte Bob den Eindruck gewonnen, dass sein ruhiger, sicherer Posten als Polizistauf dem Lande   – sicher in dem Sinne, dass seine Arbeit wesentlich gesicherter war als die von Dutzenden von Farmern   – im Grunde mit einem umfassenderen, nicht nur örtlich begrenzten Gefühl von Unsicherheit verbunden war, als wäre er in einen versteckten Krieg verwickelt. Besonders stark hatte er das empfunden, wie eine spürbare, auf ihm lastende Bürde und Verantwortung, als er seine Schulter angeboten hatte, um Jack Luxtons toten Bruder zu Grabe zu tragen.
    Als die Robinsons Jack nach der Sicherheit gefragt hatten   – als gehörte das mit zum Verkaufsangebot   – hatte Jack gesagt (nachdem er einen Moment über das Wort selbst gegrübelt hatte), dass sie hier mit Alarmanlagen nichts zu tun hatten und nicht einmal ihre Autos abschlossen.

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