Waffenhandel
mehreren Millionen Dollar an die Regierung von Liberia beziehungsweise um den Tausch dieser Waffen gegen Diamantenschürfrechte und Holzkonzessionen. Anhand der Fluglogbücher und Endnutzerbescheinigungen, die sie fanden, rekonstruierten die Ermittler zahlreiche Lieferungen von Waffen und Zubehör nach Westafrika und in andere Krisengebiete. Einige dieser Lieferungen waren mit Leonid Minins Privatmaschine, einer BAC One-Eleven, erfolgt, die noch das Emblem ihres Vorbesitzers trug, des Basketballteams der Seattle Sonics.
Minins zweistrahliges Kurzstreckenflugzeug, gebaut von einem Unternehmen der BAE-Gruppe, war weniger protzig als Prinz Bandars Airbus, aber die Flüge, die damit unternommen wurden, hatten nicht minder verheerende Folgen.
Der Schrecken brach über Freetown am 6. Januar 1999 um drei Uhr morgens herein.
Rebellen innerhalb der Armee verbündeten sich mit Truppen der Revolutionary United Front, RUF, um in die Hauptstadt von Sierra Leone einzufallen, wo sie eine Orgie von Mord und Zerstörung entfesselten. Sie nannten ihre Operation »No Living Thing«.
Dieser furchtbarste Bürgerkrieg des mit furchtbaren Bürgerkriegen so geschlagenen Kontinents war im März 1991 gleichsam aus Liberia herübergeschwappt, das seit dem Aufstand einer kleinen Gruppe Bewaffneter im Jahr 1989 unter der Führung von Charles Ghankay Taylor ebenfalls in blutigen Kämpfen versank. Taylor, ehemaliges Mitglied der liberianischen Regierung mit Beziehungen zur CIA (wie gemunkelt wurde), weitete seinen Krieg auf das benachbarte Sierra Leone aus, um sich mithilfe der RUF und ihres Anführers, des Psychopathen Foday Sankoh, eines ehemaligen Fotografen und aus der Armee entlassenen Unteroffiziers, den gewaltigen Reichtum des Landes an Diamanten unter den Nagel zu reißen.
In ihrem elf Jahre dauernden Feldzug verstümmelte und tötete die RUF mit unbegreiflicher Grausamkeit Zigtausende von Menschen, für die zu kämpfen sie vorgab. Zugleich plünderte sie die reichen Diamantvorkommen des Landes und verkaufte sie durch Charles Taylor und sein Netzwerk, zu dem auch Leonid Minin gehörte.
Nachdem Sankoh Ende 1998 gefangen genommen worden war, kündigte sein Stellvertreter, Sam Bockarie, an, alles und jeden im Lande umbringen zu wollen – »bis zum letzten Huhn« –, um seinen Boss zu befreien. Mit diesem Ziel infiltrierten die Rebellen in den ersten Tagen des Jahres 1999 Freetown, indem sie sich den Zivilisten anschlossen, die aus den von der Gewalt verwüsteten umliegenden Städten und Dörfern hierher in die Hauptstadt strömten. Ihre Waffen hatten sie in Lumpen gewickelt. Eine kleine Gruppe hatte sich allerdings zum Mount Aureol durchgeschlagen, der sich im Osten von Freetown erhebt. Eine holprige, von Büschen gesäumte Landstraße windet sich von der Bergkuppe hinunter zum Savage Square im Herzen des Ostteils der Stadt. Die Männer benötigten nur eines, mehr Waffen, und sie sollten sie bekommen.
Am 22. Dezember 1998 hatte Leonid Minin höchstpersönlich in seiner BAC 1–11 Gewehre und Ausrüstung von Niamey, der Hauptstadt von Niger, nach Monrovia, der Hauptstadt von Liberia, geflogen, wo sie auf Fahrzeuge der Truppen von Charles Taylor – seit 1997 gewählter Präsident von Liberia – umgeladen worden waren, um nach Sierra Leone, in die Außenbezirke von Freetown, befördert zu werden. Als die illegalen Waffen wohlbehalten angekommen waren, wurde der Befehl zum Angriff gegeben.
In den frühen Morgenstunden des 6. Januar fuhren die Rebellen im Schutz der Dunkelheit zum Gefängnis an der Pademba Road. Sie sprengten die Tore auf, befreiten die Häftlinge und bewaffneten sie. Foday Sankoh befand sich allerdings nicht mehr unter ihnen. Er war zwei Wochen zuvor in ein anderes Gefängnis verlegt worden.
Was folgte, war ein zwei Tage währender apokalyptischer Albtraum. Tausende bewaffneter Kindersoldaten fielen über die Stadt her. Die meisten von ihnen hatten bandagierte Köpfe, weil man ihnen die Haut aufgeschnitten und Kokain hineingerieben hatte. Gänzlich von Sinnen, ja delirierend drangen sie in die Häuser der Menschen ein und töteten die, die nicht freundlich genug grüßten oder sich weigerten, Geld herauszurücken, die zu wohlgenährt aussahen oder deren Nase ihnen schlicht und einfach nicht gefiel. Tausende Unschuldiger wurden niedergeschossen oder zusammengetrieben und auf den Straßen massakriert, aus den oberen Stockwerken der Gebäude geworfen, als menschliche Schutzschilde benutzt oder bei lebendigem Leib
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