Wahlkampf: Ein Mira-Valensky-Krimi
Schließfach zu bringen.«
»Und die Morde hat sie auch begangen?«
»Oder in Auftrag gegeben. Vielleicht hat sie die Morde auch selbst begangen. Chloe Fischer ist nicht zu unterschätzen.«
Droch schüttelte den Kopf. »Du vergisst, dass sie für den Tag von Bellini-Kleins Tod ein perfektes Alibi hat.«
»Alle haben ein Alibi, alles wurde perfekt geplant. Sie heuert einen Mörder an, und …«
»Die Perfektionistin und ein Mitwisser? Und noch dazu einen Mörder als Mitwisser?«
»Du hast recht. Sie muss es selbst getan haben – oder Orsolics oder Miller.«
»Die waren mit Vogl unterwegs. Nachweislich. Öffentlicher geht es nicht.«
»Schmidt. Chloe Fischer war an diesem Abend auf einer Party. Sie kann sich weggeschlichen haben, auf einer großen Party fällt das nicht auf. Nach einer Stunde kommt sie wieder zurück, lächelt ihr kühles Lächeln, und in Schmidt steckt ein Messer.«
»Und Bellini-Klein hat jemand anderer ermordet, und wieder jemand anderer hat den anonymen Brief geschrieben? Das passt doch nicht zusammen.«
»Nicht alles auf einmal. Chloe Fischer hat gewusst, wo Schmidt sich herumgetrieben hat.«
»Sie hat das Dossier zusammengestellt.«
»Genau.«
»Schmidt ist mit Schwarzgeld bezahlt worden. Er hat herumgeschnüffelt und Chloe Fischer bedroht – spätestens, als sie ihn nicht weiter beschäftigen wollte. Chloe Fischer nimmt ein Messer, das auf der Party herumliegt, verschwindet und ersticht ihn.«
»Das passt nicht zu Fischer. Sie handelt überlegt.«
»Auch sie kann in Panik geraten. An dem Tag, an dem Schmidt mir die Story angekündigt hat, kann er sie gezielt bedroht haben. Sie kann gesehen haben, wie er mit mir gesprochen hat. Da wusste sie, dass sie sofort etwas unternehmen musste. Wenn Schmidt die Schwarzgeldsache auffliegen ließe, sähe das für Vogls Wahlkampf nicht gerade gut aus. Von wegen Sauberkeit und Transparenz.«
»Aber Mord? Und was ist mit Bellini-Klein? Da hat sie jedenfalls ein Alibi. Und warum sollte sie sich in einem anonymen Brief selbst als Verdächtige nennen?«
Wir saßen in der Hütte und blickten auf die herbstliche Donau.
»Weißt du was?«, sagte Droch. »Ich beginne deine verrückten Theorien langsam zu glauben. Wahrscheinlich werde ich selbst verrückt.«
Ich schwieg nachdenklich. Das Messer … In der Redaktion hatten wir von der Mordwaffe Polizeifotos. Es handelte sich um ein Messer, das in Österreich nicht verkauft wurde. Es kam aus den USA und war in einigen europäischen Staaten im Handel. Es war von hoher Qualität. Man könnte herausfinden, ob bei der Party ein solches Messer verwendet worden war. Aber immerhin war das Bild des Messers in allen Medien gewesen.
»Ich muss in die Redaktion«, sagte ich. Ich hatte eine vage Idee. Vielleicht konnte ich der Sache in der Redaktion auf den Grund gehen.
Droch sah mich an. »Darf man erfahren, warum?«
Ich grinste. »Weil ich dich jetzt nicht mehr brauchen kann und die Lorbeeren alleine einstreifen möchte.«
Er seufzte.
»Also, ich habe die Ahnung einer Idee. Etwas, was uns mit dem Messer weiterhelfen könnte. Aber ich bin mir nicht sicher.«
»Ich komme mit.«
»Nein, ich muss in Ruhe denken und meine Unterlagen durchforsten. Unsere Theorie stimmt, jetzt müssen bloß noch einige Mosaiksteinchen …«
»Mira denkt«, spöttelte Droch.
Ich stand auf, gab ihm einen raschen Kuss auf die Wange und ging.
»Mira denkt«, murmelte Droch.
Als ich zur Hütte zurücksah, saß er vor dem Haus, hatte die Hände auf die Armlehnen gestützt und starrte geradeaus.
Ich durchpflügte meine gesamten Unterlagen. Nichts. Ich kannte das Gefühl. Wenn der Wunsch stark genug war, etwas zu finden, hatte ich bisweilen den Eindruck, es überall schon einmal gesehen zu haben. Ich kannte das von Uhren, von Schraubenziehern und von Pässen. Ich suche meinen Pass, und an jedem neuen Ort, den ich durchsuche, bin ich mir sicher, dass er dort liegen muss. Dass er immer dort gelegen hat. Einbildung. Wunschdenken. Jetzt suchte ich nach einem Hinweis. Nachdem ich alle Wahlkampfunterlagen durchgearbeitet, alle einschlägigen Reportagen gelesen hatte, machte ich mich an die Tonbänder meiner Interviews. Direktor Fischer, der perfekte Gatte, das perfekte Powerpaar. Allein die Vorstellung … Ich grinste. Der perfekte Gatte – was hatte er gesagt? Dass sie trotzdem »eine richtige Frau« sei. Und dass er ihr von seinen Reisen Haushaltsgegenstände mitbringe. Messer? Ich hörte das Band durch. Von Messern hatte er nichts
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