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Wahlkampf: Ein Mira-Valensky-Krimi

Wahlkampf: Ein Mira-Valensky-Krimi

Titel: Wahlkampf: Ein Mira-Valensky-Krimi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Rossmann
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ihre Beute wegnehmen. Gismo hatte den Papierfetzen im Maul und sah mich frech an. Spielen? Keine Zeit. Ich griff nach dem Papier. Gismo war beleidigt und näherte sich auf Umwegen erneut dem Papierkorb. Ausgerechnet eine Schlagzeile vom Beginn des Wahlkampfes hatte Gismo bearbeitet: »Vogl hebt ab.« Meine Güte. Vogl schien das trotz des Skandals zu gelingen.
    Papier. Papierkorb. Im nächsten Augenblick sauste ich in meinen alten Jeans und dem grünen ausgeblichenen Sweatshirt los. Gismo starrte mir nach, als ich die Türe hinter mir zuschlug.
    Vesna läutete an der Türe von Terezija Weiß, die uns schon mit dem Schlüssel entgegenkam. Nein, die Wohnung von Bellini-Klein sei noch nicht vergeben. Einige Leute hätten sie angesehen, aber es sei alles noch so, wie als wir sie das letzte Mal verlassen hätten. Terezija Weiß sperrte auf. Ich ging von Raum zu Raum. Da. Der Papierkorb. Er war leer. Er war natürlich nicht übersehen worden. Ich ging durch das Wohnzimmer zurück zur Eingangstüre. Es war bloß so eine Idee gewesen. Die Bücher standen in den Regalen, es hatte sich tatsächlich nichts verändert.
    Nein. Vieles hatte sich verändert.
    Bald würde es kalt genug sein, um im schicken Emailofen wieder Feuer zu machen. Einheizen … Neben dem Ofen stand ein Korb mit Holzscheiten und zusammengeknülltem Zeitungspapier. Ich kniete mich neben den Korb. Ich strich die Seiten glatt. Auf einer waren zwei Worte ausgeschnitten: »Unseren Kindern« war von der Schlagzeile übriggeblieben. Der Text begann mit: »Ist es nicht Mord an unseren eigenen Kindern, wenn wir …« Fünf Minuten später konnte ich den Wortlaut des anonymen Briefes rekonstruieren. Niemand hatte auf das Brennmaterial geachtet.
    Der Brief war vor Bellini-Kleins Tod abgeschickt worden – von Bellini-Klein selbst. Chloe Fischer und Orsolics hatten ihn loswerden wollen. Und das war ihnen auch gelungen, allerdings mit anderen Mitteln als mit Mord. Das Letzte, was Bellini-Klein noch tun wollte, war, sich an Fischer und Orsolics zu rächen. Bei Fischer war es ihm gelungen, er hatte alles ins Rollen gebracht. Ein anonymer Brief. Zwei abgewischte Gläser. Und dann der Sprung.

[ 14 ]
    Zwei Monate waren inzwischen vergangen. Droch, ein junger Politikredakteur und ich saßen vor dem kleinen Fernsehmonitor in Drochs Zimmer. Begleitet von den feierlichen Worten des TV-Kommentators nahmen die Spitzen der Politik im Reichsratssaal des Parlaments Platz. Abgeordnete, Chefs der Provinzregierungen. Auf der Galerie Orsolics und einige strahlende Wahlkampfmitarbeiter. Eine Fanfare ertönte. Alle standen auf. Mit ernstem Gesicht und hoch erhobenem Kopf schritt Vogl herein. Hinter ihm die Minister und die Parlamentspräsidenten.
    Wenig später sprach Vogl mit vor Rührung bewegter Stimme die Gelöbnisformel nach. Die Kamera war auf sein Gesicht gerichtet. »Ich gelobe, dass ich die Verfassung getreulich beobachten und meine Pflichten nach bestem Wissen und Gewissen erfüllen werde. So wahr mir Gott helfe.«
    Alle klatschten, Konservative, Sozialdemokraten, selbst die wenigen anwesenden Bündnisleute. Der TV-Kommentator nannte die Prominenz aus Wirtschaft, Kultur und Sport auf den Rängen. Der austro-amerikanische Milliardär wurde ebenso ins Bild gerückt wie mehrere Schirennläufer mit strahlenden Gesichtern und eine Reihe von Direktoren aus dem Bank- und Versicherungswesen. Das Publikum setzte sich, und Vogl ging gemessenen Schrittes zum Rednerpult in der Mitte des altehrwürdigen Saales. »Es muss unser gemeinsames Anliegen sein, dem Land eine sichere Zukunft zu erarbeiten«, sagte er. Die Kamera schwenkte zu ein paar festlich gekleideten Kindern. Es seien die Kinder des Familienministers, ließ der Kommentator wissen. Vogl sprach über seine Liebe zur Heimat, einmal mit beinahe brechender Stimme, dann wieder fest und mit direktem Blick in die Kamera. Er warnte davor, »die Bürgerinnen und Bürger durch den Stil der politischen Debatte in Desinteresse und Ablehnung zu treiben«, und beschwor die Gefahr einer »Radikalisierung der Sprache und der Beschädigung der Institutionen, die für das Funktionieren unseres Staates notwendig sind«. Wieder wurde geklatscht, wieder schwenkte die Kamera über die Festversammlung. Vogl machte eine Pause – die Pause vor dem letzten Satz der Rede. »Steigt nicht aus, steigt ein – es zahlt sich aus, sich für Österreich zu engagieren.« Beifall brandete auf.
    Der neue Präsident neigte bescheiden den Kopf. Dann hob er ihn und

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