Wahn - Duma Key
gehören die Häuser zwischen deinem Haus und diesem hier?« Er wies mit einem Daumen über die Schulter auf die weißen Wände und die orangeroten Dachziegel. »Das auf den Katasterkarten der County übrigens Heron’s Roost heißt, aber von mir El Palacio de Asesinos genannt wird.«
»Auch Miss Eastlake?«
»Wieder richtig«, sagte er.
»Warum nennst du es Mörderpalast ?«
»Nun, tatsächlich nenne ich es Banditenversteck, wenn ich auf Englisch denke«, sagte Wireman mit entschuldigendem Lächeln. »Weil es wie ein Haus aussieht, in dem der Hauptschurke in einem Western von Sam Peckinpah sich wohlfühlen würde. Jedenfalls stehen sechs ziemlich hübsche Häuser zwischen Heron’s Roost und Salmon Point...«
»Das ich Big Pink nenne«, sagte ich. »Wenn ich auf Englisch denke.«
Er nickte. » El Rosado Grande. Guter Name. Gefällt mir. Du bist... wie lange hier?«
»Ich habe das Haus für ein Jahr gemietet, aber ich weiß ehrlich nicht, wie lange ich bleibe. Ich habe keine Angst vor heißem Wetter - vor der gemeinen Jahreszeit, wie die Leute sagen -, aber man muss auch an Wirbelstürme denken.«
»Ja, hier unten denken wir alle an die Hurrikansaison, vor allem seit Charley und Katrina. Aber die Häuser zwischen deinem Big Pink und unserem Palacio de Asesinos sind lange vor Beginn der Hurrikansaison leer. Wie der Rest von Duma Key. Das übrigens genauso gut den Namen Eastlake Island tragen könnte.«
»Soll das heißen, dies alles gehört ihr?«
»Das ist selbst für jemanden kompliziert, der in seinem anderen Leben Rechtsanwalt war«, sagte Wireman. »Früher hat ihrem Vater einmal alles gehört - dazu ein gutes Stück des Küstengebiets östlich von hier. In den Dreißigerjahren hat er bis auf Duma alles verkauft. Miss Eastlake gehört das Nordende, das steht außer Zweifel.« Wiremans weit ausholende Handbewegung umfasste die Nordspitze der Insel, den Teil, den er später als blank wie die Muschi einer Stripperin beschreiben würde. »Das Land und die Häuser darauf - vom Heron’s Roost, dem luxuriösesten, bis zu deinem Big Pink, dem abenteuerlichsten. Sie verschaffen ihr ein Einkommen, das sie kaum braucht, weil ihr Vater ihr und ihren Geschwistern auch mucho dinero hinterlassen hat.«
»Wie viele ihrer Brüder und Schwestern leben noch?«
»Keine«, sagte Wireman. »Die Tochter des Paten ist die Letzte.« Er schnaubte leise und schüttelte den Kopf. »Ich muss aufhören, sie so zu nennen«, sagte er mehr zu sich selbst als zu mir.
»Wenn du meinst«, sagte ich. »Was mich wirklich wundert, ist die Tatsache, dass der Rest der Insel nicht erschlossen ist. Das ist mir gleich am ersten Tag, als ich über die Brücke gefahren bin, verrückt vorgekommen, angesichts des permanenten Baubooms in Florida.«
»Du sprichst wie ein Mann mit einschlägigen Kenntnissen. Was bist du in deinem anderen Leben, Edgar?«
»Bauunternehmer.«
»Und diese Zeit liegt jetzt hinter dir?«
Ich hätte ausweichend antworten können - ich kannte ihn nicht gut genug, um ihm mein Inneres zu offenbaren -, aber das tat ich nicht. Damit hatte unser gemeinsamer hysterischer Anfall sicher einiges zu tun. »Ja«, sagte ich.
»Und was bist du in diesem Leben?«
Ich seufzte und wandte den Blick von ihm ab. Sah auf den Golf hinaus, in dem man all sein früheres Elend versenken konnte und dann zusehen, wie es verschwand. »Kann ich noch nicht mit Bestimmtheit sagen. Vielleicht Maler.« Und ich wartete darauf, dass er lachte.
Das tat er nicht. »Du wärst nicht der erste Maler, der im Sal... im Big Pink wohnt. Es hat eine ziemlich lange künstlerische Tradition.«
»Im Ernst?« Das Haus enthielt keinen Hinweis auf etwas in dieser Art.
»O ja«, sagte er. »Alexander Calder hat dort gewohnt. Keith Haring. Marcel Duchamp. Alle vor der Stranderosion, durch die das Haus jetzt in Gefahr ist, ins Meer zu kippen.« Er machte eine Pause. »Salvador Dalí.«
»Völlig ausgeschossen!«, rief ich und wurde dann rot, als er den Kopf schief legte. Einen Augenblick lang spürte ich in mir den vertrauten zornigen Frust aufwallen, der mir Kopf und Kehle zu verstopfen schien. Ich schaffe das, dachte ich. »Sorry. Ich hatte vor einiger Zeit einen Unfall und …« Dann verstummte ich.
»Nicht schwierig, von selbst darauf zu kommen«, sagte Wireman. »Falls du’s noch nicht gemerkt haben solltest, dir fehlt rechts ein Dingsbums, muchacho .«
»Ja. Und manchmal leide ich... ich weiß nicht... an Aphasie, vermute ich.«
»Mhm. Jedenfalls ist das
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