Wahn - Duma Key
mit Dalí nicht gelogen. Er hat 1981 drei Wochen lang in deinem Haus gewohnt.« Dann fügte er fast ohne Pause hinzu: »Ich weiß, was du durchmachst.«
»Das bezweifle ich aber sehr.« Das sollte nicht schroff klingen, aber so kam es heraus. Tatsächlich war mir so zumute.
Wireman sagte eine kleine Weile nichts. Der eingerissene Sonnenschirm flatterte. Ich hatte Zeit, zu denken: Nun, das war eine potenziell interessante Freundschaft, die es nicht geben wird, aber als er weitersprach, klang seine Stimme ruhig und heiter. Als ob unser kleiner Abstecher nie stattgefunden hätte.
»Ein Teil von Dumas Entwicklungsproblem ist die Überwucherung. Der Strandhafer gehört hierher, aber der ganze restliche Scheiß dürfte hier ohne Bewässerung nicht wachsen. Das sollte mal jemand untersuchen, finde ich.«
»Meine Tochter und ich haben neulich eine Erkundungsfahrt unternommen. Weiter im Süden sah’s aus wie im richtigen Dschungel.«
Wireman machte ein besorgtes Gesicht. »Die Duma Key Road ist nichts für jemanden in deiner Verfassung. Sie ist in beschissenem Zustand.«
»Erzähl mir was Neues. Mich interessiert, warum sie nicht vierspurig und mit Radwegen auf beiden Seiten ausgebaut und alle hundert Meter von Eigentumswohnanlagen gesäumt ist.«
»Weil keiner weiß, wem das Land gehört. Wie wär’s für den Anfang damit?«
»Ohne Scheiß?«
»Ja. Miss Eastlake gehört das Gebiet von der Inselspitze bis südlich von Heron’s Roost frei und unbelastet seit dem Jahr 1950. Daran besteht nicht der geringste Zweifel. Das steht in den Testamenten.«
» Testamenten? Mehrzahl?«
»Insgesamt drei. Alle eigenhändig geschrieben, alle von verschiedenen Zeugen bekundet, alle mit unterschiedlichen Verfügungen in Bezug auf Duma Key. Alle drei verfügen jedoch ausdrücklich, dass Elizabeth Eastlake den Nordteil von Duma ohne Bedingungen von ihrem Vater John erben soll. Um den Rest wird seither vor Gericht gestritten. Sechzig Jahre juristischer Auseinandersetzungen, gegen die Bleak House wirkt wie Dick und Jane.«
»Ich dachte, du hättest gesagt, Miss Eastlakes Geschwister seien alle tot.«
»Das sind sie, aber sie hat Nichten und Neffen und Großnichten und Großneffen im ganzen Land. Sie beschäftigen die Gerichte, aber sie streiten untereinander, nicht mit ihr. Ihre einzige Erwähnung in den Testamenten des Alten hat mit diesem Teil von Duma Key zu tun, der zweimal sorgfältig vermessen wurde - einmal kurz vor dem Zweiten Weltkrieg, einmal unmittelbar danach. Das ist alles aktenkundig. Und weißt du was, amigo? «
Ich schüttelte den Kopf.
»Miss Eastlake glaubt, dass ihr Vater genau das erreichen wollte. Und seit ich meinen Anwaltsblick auf Kopien der Testamente geworfen habe, stimme ich ihr zu.«
»Wer zahlt die Steuern?«
Er wirkte überrascht, dann lachte er. »Du gefällst mir immer besser, vato .«
»Mein anderes Leben«, erinnerte ich ihn. Der Klang dieser Anderes-Leben-Sache fing schon an, mir zu gefallen.
»Stimmt. Dann wirst du das zu würdigen wissen«, sagte er. »Die Sache ist clever eingefädelt. Johns drei Testamente enthalten identische Klauseln zur Gründung eines Treuhandfonds, der die Steuern zahlt. Die ursprüngliche Investmentgesellschaft, die den Fonds verwaltet hat, ist seit damals übernommen worden... tatsächlich ist die übernehmende Gesellschaft ihrerseits übernommen worden...«
»So macht Amerika Geschäfte«, sagte ich.
»In der Tat. Jedenfalls war der Fonds nie in Gefahr, zahlungsunfähig zu werden, und die Steuern werden jedes Jahr regelmäßig gezahlt.«
»Geld spricht, Scheißdreck läuft frei herum.«
»Das ist wahr.« Er stand auf, legte die Hände ins Kreuz und verdrehte den Oberkörper. »Möchtest du mit ins Haus kommen und den Boss kennenlernen? Sie dürfte um diese Zeit aus ihrem Mittagsschlaf erwachen. Sie hat ihre Probleme, ist aber selbst mit fünfundachtzig noch frisch und munter.«
Dies war nicht der richtige Zeitpunkt, ihm zu erzählen, dass ich sie schon flüchtig kennengelernt hatte - dank meines Anrufbeantworters. »Ein andermal. Wenn die Ausgelassenheit sich gelegt hat.«
Er nickte. »Komm morgen Nachmittag wieder, wenn du Lust hast.«
»Vielleicht. War mir ein Vergnügen.« Ich streckte ihm erneut die Hand hin. Er schüttelte sie nochmals, sah dabei meinen Armstumpf an.
»Keine Prothese? Oder trägst du sie nur nicht, wenn du nicht unter den hoi polloi bist?«
Ich hatte eine Geschichte, die ich den Leuten erzählte - Nervenschmerzen im Stumpf -, aber
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