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Wahn - Duma Key

Titel: Wahn - Duma Key Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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Aber wie ich schon sagte (und Wireman hatte dies noch vor mir erkannt), betrügen wir uns so häufig selbst, dass wir davon unseren Lebensunterhalt bestreiten könnten.

5
    Wireman
    I Als Wireman und ich uns erstmals wirklich begegneten, lachte er so heftig, dass sein Liegestuhl zu Bruch ging, und ich lachte so heftig, dass ich fast bewusstlos wurde - tatsächlich verfiel ich in die als »Gray-out« bezeichnete Fastohnmacht. Das hätte ich an dem Tag, nachdem ich herausgefunden hatte, dass Tom Riley mit meiner Exfrau schlief (nicht dass meine »Beweise« vor Gericht Bestand gehabt hätten), am allerwenigsten erwartet, aber es ließ vorausahnen, was kommen würde. Dies war nicht das einzige Mal, dass wir miteinander lachten.Wireman war vieles für mich - nicht zuletzt mein Schicksal -, aber vor allem eines: mein Freund.
     
     
     
     
     
     
    II »So«, sagte er, als ich endlich seinen Tisch mit dem Schatten spendenden gestreiften Sonnenschirm und dem freien Liegestuhl auf der anderen Seite erreichte. »Der hinkende Fremde trifft mit einem Brotbeutel voller Muscheln ein. Setzt Euch, hinkender Fremder. Feuchtet Eure Kehle an. Dieses Glas steht nun schon einige Tage für Euch bereit.«
    Ich legte meine Plastiktüte - tatsächlich ein Brotbeutel - auf den Tisch und streckte ihm die Hand hin. »Edgar Freemantle.«
    Seine Hand war breit, die Finger dick, der Händedruck kräftig. »Jerome Wireman. Die meisten nennen mich Wireman.«
    Ich begutachtete den für mich gedachten Liegestuhl: eine Ausführung mit hoher Rückenlehne und niedriger Sitzmulde aus Leinen - wie der Schalensitz eines Porsches.
    »Stimmt was nicht damit, muchacho? «, fragte Wireman und zog eine Augenbraue hoch. Er hatte viel Augenbraue hochzuziehen, buschig und grau meliert.
    »Nicht, wenn Sie nicht lachen, wenn ich wieder daraus aufstehen muss«, sagte ich.
    Er lächelte. » Honey, live like you got to live. Chuck Berry, 1969.«
    Ich stellte mich neben dem Liegestuhl in Position, schickte ein kleines Stoßgebet gen Himmel und ließ mich fallen. Dabei lehnte ich mich wie immer nach links, um meine schlimme Hüfte zu schonen. Ich landete nicht ganz mittig, bekam aber die hölzernen Armlehnen zu fassen und stemmte meinen gesunden Fuß so ein, dass der Liegestuhl nur schwankte. Vor einem Monat wäre ich sofort wieder herausgekippt, aber jetzt war ich stärker. Ich konnte förmlich sehen, wie Kathi Green applaudierte.
    »Gut gemacht, Edgar«, sagte er. »Oder sind Sie ein Eddie?«
    »Suchen Sie sich’s aus, ich höre auf beides. Was haben Sie in diesem Krug?«
    »Grünen Eistee«, sagte er. »Sehr erfrischend. Möchten Sie ihn probieren?«
    »Sehr gern.«
    Er schenkte mir ein, dann goss er sich selbst nach und hob sein Glas. Der Tee war nur schwach grün. Wiremans Augen, gefangen in Netzen aus feinen Falten, waren grüner. Er trug sein an den Schläfen weiß meliertes schwarzes Haar wirklich ziemlich lang. Als ein Windstoß es hob, konnte ich rechts am Haaransatz eine Narbe sehen: rund wie eine Münze, aber kleiner. Heute trug er Schwimmshorts, und Oberkörper und Beine waren so braun wie seine Arme. Er wirkte fit, aber ich fand, dass er auch müde aussah.
    »Trinken wir auf Sie, muchacho . Sie haben’s geschafft.«
    »Na schön«, sagte ich. »Auf mich.«
    Wir stießen miteinander an und tranken. Ich kannte grünen Tee von früher und fand ihn okay, aber dieser hier war köstlich - als tränke man kalte Seide mit einer leichten Andeutung von Süße.
    »Schmecken Sie den Honig?«, fragte er und lächelte, als ich nickte. »Das tut nicht jeder. Ich nehme pro Krug nur einen Teelöffel. Er setzt die natürliche Süße des Tees frei. Das habe ich als Smutje auf einem Trampdampfer im Chinesischen Meer gelernt.« Er hob sein Glas und sah mit zusammengekniffen Augen hindurch. »Wir haben viele Piraten abgewehrt und uns unter dem Tropenhimmel mit geheimnisvollen dunklen Frauen gepaart.«
    »Ich glaube, Sie verarschen mich, Mr. Wireman.«
    Er lachte. »In Wirklichkeit habe ich das mit dem Honig in einem von Miss Eastlakes Kochbüchern gelesen.«
    »Ist sie die Dame, die morgens mit Ihnen rauskommt? Die im Rollstuhl?«
    »Das ist sie in der Tat.«
    Und ohne viel darüber nachzudenken, was ich sagte - es waren die auf den verchromten Fußstützen ihres Rollstuhls ruhenden riesigen Sneakers, an die ich dachte -, sagte ich: »Die Braut des Paten.«
    Wireman glotzte mich mit offenem Mund an und riss seine grünen Augen so weit auf, dass ich mich schon für meinen

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