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Wahn - Duma Key

Titel: Wahn - Duma Key Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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über Rock and Roll, was das Ganze zu einem heiteren Ausflug machte. Als ich zurückkam, blinkte an meinem Anrufbeantworter das Lämpchen für eingegangene Nachrichten. Diese kam von Pam. »Ruf mich an« war alles, was sie sagte.
    Das tat ich, doch zuerst - dies kommt mir wie eine Beichte vor, noch dazu wie eine feige - ging ich online, surfte zur aktuellen Ausgabe der Minneapolis Star Tribune und klickte auf TODESANZEIGEN. Ich las die Namen rasch durch und überzeugte mich davon, dass Thomas Riley nicht zu ihnen gehörte, obwohl ich wusste, dass das nichts bewies; er konnte zu spät abgetreten sein, um es in die Morgenausgabe zu schaffen.
    Manchmal stellte Pam das Telefon leise und machte nachmittags ein Nickerchen, was bedeutete, dass ich nur ihren Anrufbeantworter erreichen und damit einen Aufschub erhalten würde. Nicht jedoch an diesem Nachmittag. Pam meldete sich selbst: mit sanfter, aber nicht warmer Stimme. »Hallo.«
    »Ich bin’s, Pam. Ich sollte dich anrufen.«
    »Du hast in der Sonne gelegen, nehme ich an«, sagte sie. »Hier schneit’s. Es schneit, und es ist kalt wie die Gürtelschnalle eines Brunnengräbers.«
    Ich atmete leicht auf. Tom war nicht tot. Wäre er tot gewesen, hätten wir uns nicht über solche Belanglosigkeiten unterhalten.
    »Tatsächlich ist es hier auch kalt und regnerisch«, sagte ich.
    »Gut. Hoffentlich kriegst du eine Bronchitis. Tom Riley ist heute Morgen hier rausgestürmt, nachdem er mich übergriffige Fotze genannt und eine Vase auf dem Fußboden zertrümmert hat. Ich muss vermutlich froh sein, dass er sie nicht nach mir geworfen hat.« Pam begann zu weinen. Sie schniefte, dann überraschte sie mich damit, dass sie lachte. Ihr Lachen klang bitter, aber auch unerwartet gut gelaunt. »Wann erschöpft sich deine seltsame Fähigkeit, mir Tränen zu entlocken?«
    »Erzähl mir, was passiert ist, Panda.«
    »Und damit ist Schluss. Nennst du mich noch mal so, lege ich auf. Dann kannst du Tom anrufen und ihn fragen, was passiert ist. Eigentlich sollte ich dich dazu zwingen, es zu tun. Das geschähe dir recht.«
    Ich hob meine Hand zum Kopf und begann mir die Schläfen zu massieren: Daumen in die linke Vertiefung, Zeigeund Mittelfinger in die rechte. Irgendwie erstaunlich, dass eine Hand so viele Träume und so viel Schmerz umschließen kann. Von dem Potenzial, so viel Schmerz und fantasievollen Scheiß hervorzubringen, ganz zu schweigen.
    »Erzähl’s mir, Pam. Bitte. Ich höre zu und werde bestimmt nicht wütend.«
    »Darüber bist du hinweg, was? Sekunde noch.« Es gab ein Klunk! , als der Hörer abgelegt wurde, vermutlich auf die Arbeitsfläche in der Küche. Einen Augenblick lang hörte ich das entfernte Brabbeln eines Fernsehers, dann verstummte es. Als Pam zurückkam, sagte sie: »So, jetzt kann ich mich wenigstens denken hören.« Ein gewaltiges Schnauben, als sie sich noch mal die Nase putzte. Als sie dann weitersprach, klang ihre Stimme beherrscht, ohne Andeutung von Tränen.
    »Ich hatte Myra gebeten, mich anzurufen, wenn er heimkommt - Myra Devorkian, die gegenüber von ihm wohnt. Ich hab ihr gesagt, dass ich mir Sorgen wegen seines Geisteszustands mache. Das brauchte ich nicht für mich zu behalten, oder?«
    »Nein.«
    »Und Tusch! Myra meinte, sie selbst hätte sich auch schon Sorgen gemacht - und Ben ebenfalls. Sie hat gesagt, dass er vor allem zu viel trinkt und manchmal unrasiert ins Büro fährt. Obwohl er richtig elegant war, als er zu der Kreuzfahrt abgereist ist. Erstaunlich, was Nachbarn alles sehen, selbst wenn sie keine richtigen Freunde sind. Myra und Ben wussten nichts über... uns, aber sie wussten genau, dass Tom unter Depressionen gelitten hat.«
    Du denkst, dass sie nichts wussten, sagte ich nicht.
    »Jedenfalls, um’s kurz zu machen, habe ich ihn hierher eingeladen. Als er reinkam, hatte er … einen seltsamen Blick in den Augen, als würde er denken... ich will vielleicht … du weißt schon.«
    »Weitermachen, wo ihr aufgehört habt«, sagte ich.
    »Erzähl ich hier oder du?«
    »Sorry.«
    »Also gut, du hast recht. Natürlich hast du recht. Ich wollte ihm in der Küche einen Kaffee anbieten, aber wir sind nie aus der Diele rausgekommen. Er wollte mich küssen.« Das sagte sie mit einer Art trotzigem Stolz. »Das habe ich zugelassen … einmal … aber als klar wurde, dass er mehr wollte, habe ich ihn weggestoßen und ihm erklärt, ich hätte ihm etwas zu sagen. Er meinte, meinem Gesichtsausdruck nach müsste es was Schlimmes sein, aber nichts

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